dd. Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, ist seit Jahren zuständig für den Themenbereich HIV und Aids. Wenn es nach der CDU geht, sollen die Mittel für Einrichtungen wie die Aidshilfen und Prävention um über 1 Million jährlich gekürzt werden. Doch die Grünen als Koalitionspartner der NRW-Landesregierung protestieren bei den zur Zeit laufenden Haushaltsberatungen lautstark. FRESH sprach mit dem zuständigen Minister Laumann über dieses Geld, die Präventionsarbeit und den Welt-Aids-Tag 2023.
Herr Minister Laumann, welche Bedeutung hat der Welt-Aids-Tag für Sie persönlich?
Der Welt-Aids-Tag ist Gedenktag für die an Aids verstorbenen Menschen. An diesem Tag können wir aber auch unsere Solidarität mit HIV-positiven und aidskranken Menschen zeigen. Das ist wichtig. Ich bin der Meinung, dass wir alle dazu beitragen können, die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und Aids abzubauen. Jegliche Ausprägung von Diskriminierung darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Alle Menschen mit HIV haben ein Recht auf ein respektvolles und solidarisches Miteinander. In Nordrhein-Westfalen haben wir gute Hilfsangebote, auf die Betroffene und Interessierte bei Bedarf zurückgreifen können.
Hat sich die Zahl der HIV-Erstdiagnosen im Vergleich zum Vorjahr verändert?
Wie können alle dazu beitragen, dass die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und Aids abgebaut wird?
Die Zahl der HIV-Erstdiagnosen ist bundesweit gestiegen. In Nordrhein-Westfalen lässt sich eine leichte Zunahme der HIV-Erstdiagnosen erkennen. Im Jahr 2021 gab es noch 503 gemeldete Erstdiagnosen. Im letzten Jahr stieg die Zahl dann auf 591 gemeldete Erstdiagnosen. Dies ist aber zunächst kein Grund zur Sorge. HIV-Erstdiagnosen sind nämlich nicht gleichzusetzen mit neuen Infektionen. Eine Neudiagnose kann z.B. auch eine im Ausland erworbene Infektion sein, die dem betroffenen bereits bekannt ist. Alle Diagnosen, die in Deutschland erstmalig gestellt werden, werden als Erstdiagnosen registriert. Die Zahl der Neuinfektionen von 2022 wird uns erst Anfang 2024 zur Verfügung stehen.
Wir können alle dazu beitragen, die Ausgrenzung von Menschen mit HIV und Aids abzubauen: Nein zur Ausgrenzung. Ja zu Menschlichkeit und Solidarität. Jegliche Ausprägung von Diskriminierung darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Zu diesem Thema arbeitet das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) eng mit Akteuren wie beispielsweise den Aidshilfen in Nordrhein-Westfalen zusammen und fördert bewusst auch ihre Bemühungen zur Antidiskriminierung. Die Aidshilfe NRW mit ihren verschiedenen Netzwerken z.B. für Männer, die Sex mit Männern haben, für Frauen mit HIV oder für Menschen aus Subsahara-Afrika beantwortet nicht nur Fragen zu Themen rund um sexuelle Gesundheit, sondern setzt sich auch gegen Diskriminierung von Betroffenen ein.
Im zurückliegenden Jahr haben wir in Deutschland eine ungewöhnliche Höhe Inflation verzeichnet. Auch deswegen steigen Personal- sowie Betriebskosten für die Aids-Hilfen. Wie wird die Landesregierung diesen Umständen gerecht, damit gerade kleinere Aids-Hilfen nicht schließen müssen?
Die Landesregierung fördert jährlich die Arbeit zur Prävention und Beratung im Bereich HIV und sexuell übertragbarer Erkrankungen mit 5,2 Mio. Euro. Die spezifische Arbeit der Aids-Hilfen vor Ort wird insbesondere durch die finanzielle Förderung von Präventionsmaßnahmen, die auf den Alltag der verschiedenen Personen zugeschnitten sind, unterstützt. Das heißt Präventionsmaßnahmen, vor allem in der schwulen Community, für Menschen aus Subsahara-Afrika, drogenkonsumierende Menschen, in der mann-männlichen Sexarbeit und anderen Lebenswelten mit besonderem Risiko. In diesem Jahr waren das hierfür allein 1,2 Mio. Euro. Auch ein Teil der Mittel, die die Aids-Hilfen über die Kommunen erhalten, stammen aus dem Landeshaushalt, dies sind die sogenannten fachbezogenen Pauschalen. Daneben wurden aus dem Landeshaushalt 2023 300.000 Euro Billigkeitsleistungen an die Aids-Hilfen in Nordrhein-Westfalen ausgezahlt. Die Haushaltsverhandlungen für 2024 laufen derzeit noch.
Wie beurteilen Sie die Präventionsarbeit in NRW? NRW ist ein Flächenland, wie kann gewährleistet werden, dass Prävention und Betreuung nicht nur in wenigen urbanen Zentren, sondern im ganzen Land stattfinden? Wie progressiv müssen Testangebote beispielsweise in schwulen Saunen oder auf Crui-singparkplätzen stattfinden?
Die Präventionsarbeit in Nordrhein-Westfalen ist vorbildlich und progressiv. Das Land stellt den Kommunen im Rahmen der fachbezogenen Pauschalen jährlich 2,34 Mio. Euro zur Verfügung. Die Kommunen entscheiden dann selbstständig über die Art der Verwendung der Mittel im Bereich der Prävention und Beratung zu sexueller Gesundheit. Damit erreichen wir eine Förderung in der Fläche. Es werden mit den Mitteln unter anderem die Arbeit der Aids-Hilfen unterstützt, aber auch Youth Work – ein Netzwerk von sexualpädagogischen Fachkräften in Nordrhein-Westfalen mit dem Schwerpunkt HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen.
Wir finanzieren zudem die anonymen Tests auf HIV und sexuell übertragbare Erkrankungen, die in den Gesundheitsämtern für Personen mit besonderen Risiken angeboten werden. Über die Art und Intensivität der Angebote entscheiden die Kommunen und Aids-Hilfen eigenständig.
Die Aidshilfen in NRW fordern ja vehement die Erhöhung der sogenannten Landespauschalen, um die Existenz der Aidshilfen zu sichern. Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sind 1,2 Millionen Euro weniger eingestellt. Wie wollen sie die Aidshilfestruktur erhalten?
Rein rechnerisch sind im Haushalt 2024 1,1 Millionen Euro weniger eingestellt als im Jahr 2023. Im Haushaltsentwurf wurde aber keine Kürzung der Mittel für die Aids-Hilfen oder der fachbezogenen Pauschalen für die Kommunen vorgenommen. Der Landtag hatte für 2023 als besondere Abfederung aufgrund der Corona-Pandemie 600.000 € zusätzlich für die Arbeit der Aids-Hilfen bereitgestellt. Sie dienten zur Abfederung der eingebrochenen Spenden und Einnahmen in der Coronazeit. Weitere Mittel waren für eine Projektförderung vorgesehen, die inzwischen ausgelaufen ist. Folglich ist der im Landeshaushalt bisher eingestellte Titelansatz keine Kürzung, sondern analog zu den bisherigen Haushaltsmitteln ohne gezielte Corona-Hilfen.