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Interview

„Die Landesregierung muss unbedingt noch nachziehen“

Sarah Philipp
Sarah Philipp, SPD-Landesvorsitzende in NRW

dd. Die frisch gewählte neue Landesvorsitzende der SPD in NRW heißt Sarah Philipp. Sie wurde am 10.03.1983 geboren und vertritt den Wahlkreis 61 (Duisburg I) im Landtag. FRESH sprach mit der jungen Politikerin über aktuelle queerpolitische Fragen.

Frau Philipp, könnte sich die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung konsequenter für uns einsetzten? Was fehlt Ihnen queerpolitisch hier am meisten?

Bisher hat es die schwarz-grüne Landesregierung versäumt, die Rechte der queeren Community weiter zu stärken.
Insgesamt stellt die Landesregierung nicht genügend Mittel bereit, um anti-queere Gewalt zu bekämpfen oder die Akzeptanz in der Bevölkerung durch Projekte und Maßnahmen zu fördern. Bereits der Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen hat einige Lücken offenbart.
Auf der einen Seite hat die Landesregierung die Forderung nach einer finanziellen und strukturellen Förderung für CSDs, die wir als einzige Partei in unserem Wahlprogramm stehen hatten, übernommen. Auf der anderen Seite gibt es keine Pläne für die Förderung von queerer Kultur, der Förderung von queeren Angeboten im ländlichen Raum und der Förderung von Regenbogen-Familien. Hier muss die Landesregierung unbedingt noch nachziehen.

Wie beurteilen Sie die neue erstmalig 2023 gestartete Förderung von ca. 5000 Euro für jeden NRW-CSD? Ist das eine gute Investition oder würden Sie das Geld lieber für etwas anderes für die Community ausgeben?

Der Christopher Street Day hat eine große Bedeutung für die Sichtbarkeit der queeren Community. Die vielen Events im ganzen Land sind immer auch Begegnungsstätte und haben dazu beigetragen, dass die Akzeptanz für die queere Community in der Gesellschaft insgesamt gestiegen ist.
Wir als NRWSPD sind uns der großen Bedeutung des CSDs für die queere Community und für den Kampf für Gleichberechtigung und Akzeptanz bewusst. Als einzige Partei in NRW hatten wir die Forderung nach einer strukturellen und finanziellen Förderung der CSDs im Wahlprogramm zur Landtagswahl stehen. Bereits Ende 2022 haben wir als SPD-Fraktion im Landtag eine Grundförderung der CSDs in Höhe von 375.000 Euro gefordert. Unser Antrag wurde von CDU und Grünen leider abgelehnt. Die von der Landesregierung angekündigten Fördermittel für CSDs von insgesamt 145.000 Euro und maximal 5.000 Euro pro Veranstaltung sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber zu wenig – insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von CSDs und in Zeiten der Inflation. Deshalb ist die Förderung ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber muss noch höher ausfallen und dementsprechend ausgebaut werden.

Das Schwule Netzwerk und die LAG Lesben in NRW haben gerade eine Fusion zum Queeren Netzwerk beschlossen. Wie beurteilen Sie das?

Ich begrüße die Fusion der beiden Vereine sehr. Denn damit entsteht eine starke Interessenvertretung der Community. Gleichzeitig gibt es auch noch zahlreiche weitere Initiativen und Verbände, die die Vielfalt der Community sichtbar machen. Auch das finde ich nach wie vor wichtig.

Hassgewalt nimmt immer mehr zu in Deutschland. Muss die Landesregierung entschiedener gegen Queerfeindlichkeit vorgehen? Es gibt gerade einen dramatischen Anstieg der Hassdelikte gegen queere Menschen. Woran liegt das und wie kann man dem entgegentreten? Sind Sie für die präzise Erfassung dieser Straftaten?

Der Anstieg der Gewaltdelikte gegen Mitglieder der queeren Community ist beängstigend. Zwar wird ein Teil unserer Gesellschaft immer progressiver und die gesellschaftliche Akzeptanz steigt insgesamt, aber auf der anderen Seite gehen einige Gruppen immer aggressiver gegen queere Personen vor und scheuen auch nicht vor Einschüchterungen und Gewalt zurück. Aus diesem Grund sehen wir auch die Landesregierung in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um die gesellschaftliche Akzeptanz weiter zu stärken und die Sicherheit der queeren Community zu gewährleisten.

Neben der gesetzlichen Gleichstellung muss auch die gesellschaftliche Akzeptanz gefördert werden. Dazu brauchen wir unbedingt vernünftige Aufklärung an den Schulen. Darüber hinaus müssen sowohl Behörden als auch andere Institutionen für das Thema sensibilisiert werden. Es braucht geschulte Kontaktbeamt*innen bei Polizei und Justiz, damit queere Menschen Straftaten angstfrei melden können.
Dabei ist es wichtig, dass Straftaten, die auf Grund von Hass gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen begangen werden, als solche anerkannt werden. Diese Hasskriminalität muss im Rahmen der Anzeigen berücksichtigt und statistisch erfasst werden. Hassgetriebene Straftaten gegenüber Menschen der queeren Community müssen vom Staat mit aller Konsequenz geahndet werden.

Die Aidshilfestruktur in NRW ist akut bedroht. Weniger öffentliche Mittel bedeuten weniger HIV-Prävention, und so kämpft die Aidshilfe NRW für Erhöhung des Etats. Inwieweit setzt sich die SPD in NRW dafür ein?

Aids ist und bleibt ein Thema. Prävention, Antidiskriminierung, Community-Arbeit sowie die Begleitung Betroffener und ihres gesamten Umfeldes ist weiterhin von großer Bedeutung. Die Aidshilfen in NRW haben in den letzten Jahrzehnten immer mehr Aufgaben übernommen. Auch, weil die Politik bzw. der Staat diese Leerstellen hinterlassen hat. Deswegen müssen die Mittel für die Aidshilfe NRW aufgestockt werden. Wir als SPD in NRW haben für dieses Jahr gefordert, die Landesfördermittel um knapp eine Million Euro zu erhöhen.

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