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Interview

„Weder für Mitgliedstaaten noch EU-Beitrittskandidaten darf es Ausnahmen in Bezug auf die Rechte von queeren Menschen geben”

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, MdB, FDP. posiert fuer ein Foto. (Foto: ThomasxTrutschel/photothek.dex)

dd. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist Mitglied des FDP-Präsidiums und des Vorstands der FDP-Bundestagsfraktion. Seit 2017 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestags und dort seit 2021 Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und aktuell Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Europawahl am 9. Juni. FRESH gab sie dazu ein Interview.

Frau Strack-Zimmermann, Sie sind nun Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl. Sie sagen, dass für Sie damit ein persönlicher Wunsch in Erfüllung geht. Das ist keine leicht Aufgabe. Warum ist Ihnen die Europawahl so wichtig? Die Wahlbeteiligung nimmt ab, Europawahlen scheinen für manche nicht sonderlich wichtig und interessant. Sie sehen das wahrscheinlich anders. Warum?

Die Europäische Union ermöglicht uns heute ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand auf einem Kontinent, der zuvor über Jahrhunderte Schauplatz von blutigen Konflikten war. Aber dieses großartige Projekt ist gerade akut gefährdet, sowohl von innen als auch von außen. Der russische Überfall auf die Ukraine hat die internationale Sicherheitsarchitektur ins Wanken gebracht und stellt die Europäische Union vor gigantische Herausforderungen. Wladimir Putin führt nicht nur einen imperialistischen Feldzug gegen die Ukraine. Mit seinen Raketen zielt er auch auf die europäischen Werte wie Freiheit und Demokratie.
Zunehmende nationalistische Tendenzen und das Erstarken radikaler Parteien gefährden Europa auch von innen. In einigen Mitgliedstaaten sind rechtspopulistische Parteien an der Regierung beteiligt. In manchen Ländern sind sie sogar stärkste Kraft. Sie untergraben gezielt die Demokratie. Uns muss klar sein, dass sie das Ziel verfolgen, die Institutionen der Europäischen Union auszuhöhlen. Das beste Mittel gegen einen Wahlerfolg der Rechtspopulisten im Juni ist eine neue Vision von Europa – von einem Europa, das das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger einfacher macht und nicht durch immer mehr Bürokratie verkompliziert; von einem Europa, das Bildungs- und Aufstiegschancen schafft; von einem Europa, das Freiheit in Wohlstand erhält.
Wir Freien Demokraten wollen einen positiven und lösungsorientierten Wahlkampf machen. Mit unserem Europawahlprogramm liefern wir die richtigen Antworten auf die drängenden europäischen Fragen. Ich lade alle Menschen ein, mit uns gemeinsam für die Zukunft für Europa zu kämpfen.

Die Gleichstellung von LGBT in der EU kommt nur schwerfällig voran. Wie kann man das verbessern? Zum Beispiel werden CSDs immer noch in Ländern wie in Polen oder Serbien verboten oder massiv behindert. Wie können Sie dafür sorgen, dass in der EU die Rechte für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und vor allem das Demonstrationsrecht durchgesetzt werden können?

Wir Freien Demokraten setzen uns dafür ein, dass EU-Recht gegen Diskriminierung auf Homophobie und andere Formen von Diskriminierung ausgeweitet wird. Weder für Mitgliedstaaten noch EU-Beitrittskandidatenländer darf es Ausnahmen in Bezug auf die Rechte von queeren Menschen geben. Wir sind dafür, dass Länder, die diese Rechte missachten, keine Gelder aus EU-Töpfen bekommen. Das wäre ein klares Signal an Ungarn, aber auch den Beitrittskandidaten Serbien. Außerdem muss sich die EU stärker für globale LSBTIQ-Rechte einsetzen – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Wenn ein Land Gesetze erlässt, die gegen Menschenrechte verstoßen, muss die EU ihre Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Ländern überdenken.

Schon seit Jahren gibt es die Diskussion, Entwicklungshilfe an die Einhaltung der Menschenrechte zu koppeln. Halten Sie dies für sinnvoll und umsetzbar? Wie schätzen Sie eine mögliche Mehrheit im Europäischem Parlament dafür ein? Wie kann die Entwicklungspolitik der EU menschenrechtsorientierter werden? Wie kann man erreichen, dass bei Strafverschärfungen gegen Homosexuelle die Entwicklungszusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt wird und insbesondere die Budgethilfe gestrichen wird?

Wir bekennen uns zur Universalität der Menschenrechte als Grundlage einer freien Gesellschaft. Wir wollen eine EU, die entschieden gegen Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und gruppenbezogene Feindlichkeit vorgeht, eine enge Zusammenarbeit mit den Menschenrechtsinstitutionen des Europarates, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und den Vereinten Nationen pflegt und beim Schutz des Völkerrechts eine Vorreiterrolle einnimmt. Wir wollen, dass bei Strafverschärfungen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Intersexuelle und queere Menschen die Entwicklungszusammenarbeit im Dialog mit NGOs vor Ort auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls die Budgethilfe gestrichen sowie die Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen beendet wird. Das Parlament kann politischen Druck erzeugen, indem es die Kommission auffordert, bei Strafverschärfungen oder konkreten Menschenrechtsverletzungen aktiv zu werden, indem es entsprechende Resolutionen verabschiedet. So geschehen zuletzt im April letzten Jahres gegenüber Uganda.

Stichwort queere Flüchtlinge. Sie kommen wieder verstärkt aus den Kriegsgebieten. Es gibt persönliche Übergriffe in Flüchtlingsunterkünften, viele haben schwere Traumatisierungen zu überwinden. Wie kann man erreichen, dass queere Menschen in der EU konsequent Asyl erhalten? Wo bleibt da die einheitliche Gesetzgebung? Wo liegt die Aufgabe beim Staat und wo bei der Community?

Bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die bald im Europäischen Parlament abgestimmt werden muss, werden queere Menschen mitgedacht. Wenn ihnen in ihrem Heimatland Verfolgung oder ernsthafte Schädigung droht, haben sie Anspruch auf Asyl. Außerdem ist in der Asylverfahrensverordnung die Verfolgung von queeren Menschen eines der Kriterien für die Einordnung von Drittstaaten als sichere Herkunftsländer. In der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen werden sie auch gesondert bedacht. Hier wird also auf eine einheitliche Gesetzgebung hingearbeitet. Ich ermutige die Community, den Gesetzgeber weiter auf LSBTIQ-feindliche Vorurteile und konkrete Missstände in der europäischen Asylgesetzgebung aufmerksam zu machen.

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