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Interview

Im FRESH-Interview: Terry Reintke, Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl

Terry Reintke wurde Ende 2023 von den deutschen Grünen für die Europawahl 2024 zur Spitzenkandidatin gewählt.
Terry Reintke wurde Ende 2023 von den deutschen Grünen für die Europawahl 2024 zur Spitzenkandidatin gewählt.

dd. Theresa „Terry“ Reintke (* 9. Mai 1987 in Gelsenkirchen) ist eine deutsche Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen. Reintke war von 2011 bis 2013 Sprecherin der Federation of Young European Greens. Sie ist seit der Europawahl 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments und wurde 2019 wiedergewählt. Sie ist Mitglied der Fraktion Die Grünen/EFA. Seit 2022 ist sie eine der beiden Vorsitzenden dieser Fraktion. Ende 2023 wurde sie von den deutschen Grünen für die Europawahl 2024 zur Spitzenkandidatin gewählt und ebenso als Spitzenkandidatin der europäischen Grünen vorgeschlagen. Sie sagt über sich: „Ich bin Europäerin, Politikerin und Feministin. Politik für die Menschen in Europa zu machen, ist für mich Leidenschaft, Beruf und Lebensaufgabe. Als Ko-Vorsitzende darf ich die Grünen-Fraktion leiten – die größte, die es je im Europäischen Parlament gab.” FRESH sprach mit ihr als Spitzenkandidatin der Grünen zur Wahl des Europaparlaments am 9. Juni.

Liebe Terry Reintke, Sie sind nun Spitzenkandidatin der GRÜNEN zur Europawahl 2024. Warum ist Ihnen die Europawahl so wichtig? Die Wahlbeteiligung nimmt ab,
Europawahlen scheinen für manche nicht sonderlich wichtig und interessant. Sie sehen das wahrscheinlich anders, warum?

Wahlen bilden das Fundament unserer Demokratie, und die Europawahl ist keine Ausnahme. Sie bietet eine direkte Möglichkeit, Einfluss auf die Gestaltung der europäischen Politik und damit auf zahlreiche Bereiche unseres Alltags zu nehmen: Vom klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft, dem Schutz unserer Demokratie vor ihren rechten und autoritären Feinden bis hin zum sozialen Ausgleich in Europa – all diese Themen stehen auf dem Spiel. Und diese Wahl entscheidet mit Blick auf die reaktionären Regierungen in einigen europäischen Staaten auch über die Verteidigung und den Ausbau der Rechte von LGBTIQ*-Personen. Ich kämpfe dafür, dass wir im neuen Europäischen Parlament eine große demokratische Mehrheit bauen, die die freie Entfaltung von allen fördert und schützt.

Die Gleichstellung von LGBT in der EU kommt nur schwerfällig voran. Wie kann man das verbessern? Müsste global die EU nicht eine stärkere Rolle für queere Rechte spielen?

Zunächst müssen wir die EU-weiten Rechtsvorschriften und Richtlinien ausbauen, um Diskriminierung zu bekämpfen und die Rechte von LGBTIQ*-Personen in allen Mitgliedstaaten zu schützen. Dazu zählt die Harmonisierung von Familienrechtsbestimmungen für eine EU-weite Anerkennung von Regenbogenfamilien und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Auch der Zugang zu diskriminierungsfreier Gesundheitsversorgung und einer selbstbestimmten Änderung des Geschlechtseintrags müssen überall in der EU möglich werden. Auf der internationalen Ebene kann und muss die EU ihre Stärke nutzen, um gegen sexualisierte und geschlechtsspezifische Feindlichkeit und Gewalt vorzu-gehen.

Wo setzen Sie sich dafür ein, dass in der EU die Rechte für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und vor allem das Demonstrationsrecht durchgesetzt werden können? Zum Beispiel werden CSDs immer noch in Ländern wie in Polen oder Serbien verboten oder massiv behindert.

Ich war selbst bei vielen Prides in Polen, Serbien, Bulgarien oder der Türkei dabei und konnte hautnah spüren, was es bedeutet, wenn Demonstrationen von Rechten oder sogar der eigenen Regierung bedroht werden. Das ist ein furchtbares Gefühl. Es ist absolut inakzeptabel, dass CSDs und andere LGBTIQ*-Veranstaltungen in Europa verboten oder behindert werden. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – zu Hause, am Arbeitsplatz und auf der Straße – muss in Europa rechtlich abgesichert sein. Ich setze mich dafür ein, dass EU-Kommission und -Rat alle ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, inklusive Vertragsverletzungsverfahren und Sanktionen, nutzen, um das Vorgehen nationaler Regierungen gegen LGBTIQ*-Personen zu stoppen.

Schon seit Jahren gibt es die Diskussion, Entwicklungshilfe an die Einhaltung der Menschenrechte zu koppeln. Halten Sie dies für sinnvoll und umsetzbar? Wie schätzen Sie eine mögliche Mehrheit im Europäischem Parlament dafür ein? Wie kann die Entwicklungspolitik der EU menschenrechtsorientierter werden? Wie kann man erreichen, dass bei Strafverschärfungen gegen Homosexuelle die Entwicklungszusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt wird und möglicherweise die Budgethilfe gestrichen wird?

In der EU muss sichergestellt werden, dass die Entwicklungspolitik menschenrechtsorientiert ausgerichtet ist. Bei Ländern, die grundlegende Menschenrechte verletzen, müssen wir all unser Gewicht nutzen, um Druck auszuüben. Dazu zählen auch Strafverschärfungen gegen Homosexuelle. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Respekts vor den universellen Menschenrechten. Als Grüne setzen wir uns für eine vollständige Integration von LGBTIQ*-Rechten in alle Aspekte der Außen- und Entwicklungspolitik der EU ein.

Stichwort queere Flüchtlinge. Sie kommen wieder verstärkt aus den Kriegsgebieten. Es gibt persönliche Übergriffe in Flüchtlingsunterkünften, viele haben schwere Traumatisierungen zu überwinden. Wie kann man erreichen, dass queere Menschen in der EU konsequent Asyl erhalten? Wo bleibt da die einheitliche Gesetzgebung? Wo liegt die Aufgabe beim Staat und wo bei der Community?

Es ist entscheidend, dass queere Menschen, die in ihren Heimatländern verfolgt werden, in der EU Anspruch auf ein individuelles Recht auf Asyl haben. Und das insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Übergriffe und Androhungen von Haft- oder Todesstrafe. Dafür braucht es klare, faktenbasierte Lageberichte von den Botschaften, eine Sensibilisierung und Schulung von Asylentscheider*innen sowie Dolmetscher*innen, damit LGBTIQ*-Asylsuchende fair und gerecht behandelt werden. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und der Community ist entscheidend, um sicherzustellen, dass queere Menschen angemessen geschützt und unterstützt werden können.

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