dd. Katarina Barley ist am 19.11.1968 in Köln geboren. Die studierte Juristin und Sozialdemokratin ist seit 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag und seit dem 14. März 2018 Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz. Davor war sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Bei der Europawahl am 26. Mai tritt sie als Spitzenkandidatin der SPD an. FRESH sprach mit ihr über ein queeres Europa.
Frau Barley Sie kandidieren für das Europaparlament, warum?
Es gibt viele gute Gründe, sich für Europa zu engagieren. Mir persönlich ist Europa sehr nah. Schon meine Familiengeschichte zeigt: Ich bin Europäerin durch und durch. Meine Kinder haben Großeltern aus vier verschiedenen europäischen Ländern, ich habe zwei Staatsangehörigkeiten und wohne im Vierländereck. Europa ist der Garant für Frieden, Freiheit und Demokratie auf unserem Kontinent. Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Digitalisierung können wir nur gemeinsam lösen. Den Drohgebärden von Putin oder Trump können wir nur gemeinsam Einhalt gebieten. Zusammen müssen wir dafür sorgen, dass Europa freiheitlich und demokratisch bleibt. Deshalb ziehen wir als SPD mit Vorschlägen für ein soziales Europa in den Wahlkampf. Ich stehe für ein Europa, das zusammenhält.
Die Wahlbeteiligung bei EU Wahlen sind in den vergangenen Jahren immer niedrig ausgefallen. Sie scheint für manche nicht sonderlich wichtig und interessant. Sie sehen das wahrscheinlich anders. Warum?
Diese Wahl ist eine Richtungswahl für Europa. Diesmal geht es um mehr. Es geht um Zusammenhalt und ein friedliches Miteinander in Europa. Es geht um sozialen Zusammenhalt. Und es geht um die Frage, ob Europa weltoffen und auf Kooperation ausgerichtet bleibt. Meine Wahrnehmung ist, dass der Brexit dabei eine mobilisierende Wirkung hat. Viele, gerade junge Menschen, sehen was passiert, wenn man zu Hause bleibt anstatt wählen zu gehen. Sie müssen nun verteidigen, was in Jahrzehnten aufgebaut wurde. Das wird sich bei der Wahlbeteiligung zeigen, da bin ich sicher.
Kommen wir zu einem anderen Thema: Darf es beim Thema Bürgerrechte von Lesben, Schwulen und Transgender in der EU Zugeständnisse für Beitrittskandidaten geben?
Um EU-Mitglied zu werden, müssen die Kopenhagener Kriterien erfüllt sein. Dazu gehören eine demokratische und rechtstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten. Diese Rechte sind unsere europäischen Grundwerte, da machen wir keine Zugeständnisse.
CSDs werden auch 2018 in Ländern wie in Polen oder Serbien verboten oder massiv behindert. Wie können Sie dafür sorgen, dass in der EU die Rechte für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und vor allem das Demonstrationsrecht durchgesetzt werden können?
Viele Erfolge für Demokratie und Minderheitenrechte gehen zurück auf Initiativen der Europäischen Union. Damit dieser Prozess nicht ins Stocken gerät, setzt sich die SPD gerade jetzt für eine ehrgeizige Gleichstellungsagenda in Europa ein. Wir wollen gleiche Rechte und Chancen garantieren und die LGBTIQ-Rechte in allen Bereichen schützen und stärken, dazu gehört auch das Demonstrationsrecht. Die sogenannten „Anti-Propaganda“-Gesetze einzelner Mitgliedstaaten, die Diskriminierung und Hass gegen LGBTIQ-Menschen befördern, müssen weg. Dazu wollen wir die Strafverfolgungsbehörden überall in Europa sensibilisieren, um gegen jedwede Diskriminierung oder Gewalt auf Grund von sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität vorgehen zu können. Wenn es um die Rechte von LGBTIQ geht, so muss auch die 5. Antidiskriminierungs- Richtlinie der EU aus den Jahr 2008 endlich verabschiedet werden. Sie verbietet Diskriminierung in den Bereichen sozialer Schutz, Bildung sowie beim Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.
Wie kann die Entwicklungspolitik der EU menschen-rechtsorientierter werden? Wie kann man erreichen, dass bei Straf- verschärfungen gegen Homosexuelle die Entwicklungszusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt wird und insbesondere die Budgethilfe gestrichen wird?
Strafverschärfungen gegen Homosexuelle, aber auch nur strafrechtliche Verfolgungen aufgrund einer sexuellen Orientierung, sind menschenrechtswidrig. Die EU muss sich deshalb auch weltweit für die Wahrung von Menschenrechten einsetzen, dazu gehört auch der Schutz von LGBTIQ. Dafür ist auch die Entwicklungszusammenarbeit da. Sie dient an erster Stelle den Menschen vor Ort und nicht den Staatsapparaten. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen und müssen uns für gesellschaftliche Veränderungen einsetzen.
In Algerien, Marokko und Tunesien ist Homosexualität verboten. Dennoch schätzt die Bundesregierung die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten ein. Wie kann man dieses fatale Signal an die Regimes stoppen?
Völlig egal mit welcher sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität: Jeder Mensch hat das Recht auf Respekt, Anerkennung und ein Leben frei von Diskriminierung und Gewalt. Auch bei sicheren Herkunftsstaaten muss jeder Asylantrag individuell geprüft werden. Diejenigen, die in Europa Schutz suchen, weil sie in ihrer Heimat aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, müssen als Asylbewerberinnen und Asylbewerber anerkannt werden.