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Politik

Frank Müller, (MdL): „Es erfüllt mich mit Scham und Angst”

Frank Müller, (SPD, MdL)

dd. Frank Müller ist SPD-Landtagsabgeordneter aus Essen. Zudem ist er Beauftragter der SPD-Fraktion für LSBTTI. Als solcher zeigt er in ganz Nordrhein-Westfalen immer wieder Flagge und unterstützt die Arbeit von queeren Gruppen und Initiativen vor Ort. Vom queeren Jugendtreff bis hin zur Gay-Sauna ist er stets im engen Kontakt mit der Community. FRESH sprach mit dem offen schwulen Sozialpolitiker aus Essen über sein Engagement für die schwul-lesbisch-queere Community in NRW.

Frank, was war denn da los im NRW-Landtag bezüglich der AfD, als es um den Aktionsplan ging? Müssen wir uns jetzt an solche kruden und queer-feindlichen Entgleisungen aus der rechten Ecke gewöhnen? Wie ist es Dir dabei ergangen und vor Allem, was kann man dagegen tun?

Die Rednerin der AfD hat Transsexualität in die Ecke von Widernatürlichkeit gerückt. Das hat mich an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte erinnert. Schon einmal hat man Menschen, die anders lieben und anders fühlen, in diese Ecke gerückt. Wir alle wissen, das hat uns in den Abgrund geführt. Ehrlich gesagt, mir war kotzübel und ich war emotional stark angefasst. Dass sowas in einem deutschen Parlament wieder sagbar wird, erfüllt mich mit Scham und Angst zugleich! Daran will und werde ich mich nicht gewöhnen. Und da darf es zwischen den Demokratinnen und Demokraten in unserem Land keinen Zweifel geben! Zumindest was Markus Söder und Friedrich Merz angeht, hatte ich da zuletzt meine Zweifel, ob die mit Blick auf queere Menschen immer so stabil sind!

Wie beurteilst Du die schwarz-grüne Landespolitik in Bezug auf Verbesserungen für LGBT? Was wurde bisher versäumt und was könnte man noch besser machen? Wie kann man mehr Impulse geben z.B. bei der Gewaltprävention oder dem Ausbau queerer Infrastruktur?

Wenn ich das mit einer Schulnote machen müsste, würde ich eine drei minus vergeben. Die Kürzungen bei der Aidshilfe, den Regenbogenfamilien oder auch queer inklusiv halte ich für grundfalsch. Auch die Mittel für die Meldestellen reichen aus meiner Sicht nicht aus. Den Aktionsplan aus vorhandenen Mitteln weiterzuentwickeln, so wie Schwarz-Grün sich das vorstellt, wird nicht funktionieren. Und ich bleibe bei der Kritik an einzelnen Ministerien. Nach wie vor haben insbesondere Schulministerin Dorothee Feller, Innenminister Herbert Reul und Sozialminister Karl-Josef Laumann Queerpolitik nicht als Querschnittsaufgabe der gesamten Regierung verstanden. Sei es z.B. das Thema Zeugnisausstellung auf den selbstgewählten Namen, queersensible Ansprechpersonen bei der Polizei oder auch die mangelnde Unterstützung der Aidshilfe NRW.

Die CSD- und Straßenfestvernetzer in NRW erhalten seit letztem Jahr zusammen 145.000 Euro Unterstützung. Das sind nicht mal 5000 Euro pro Event, wenn es alle beantragen. Ist das nicht viel zu wenig? Dazu kommt noch, dass jedes Jahr erfreulicherweise immer mehr CSDs zustande kommen.

Ja, das freut mich auch. Wir haben beim letzten Mal deutlich mehr beantragt. Aber immerhin ist es gut, dass die schwarz-grüne Koalition mit Blick auf unseren Druck bereit war, überhaupt Geld bereitzustellen. Wir werden uns das mit Blick auf die kommende CSD-Saison sehr genau anschauen, was es konkret braucht und wie ein Verfahren bedarfsgerecht gestaltet werden kann!

Wann wird das Selbstbestimmungsgesetz für Trans*Menschen endlich fertig? Die SPD-geführte Regierung auf Bundesebene lässt sich da sehr viel Zeit …

Das ist ein großes gesellschaftspolitisches Vorhaben. Da geht es auch um Gründlichkeit! Aber ich gestehe, dass es auch mir zu langsam vorangeht. Auch, wenn es dafür Gründe geben mag. Ich kann die Ungeduld betroffener Menschen sehr gut verstehen. Sie warten teils seit Jahrzehnten auf ein modernes und respektvolles Selbstbestimmungsgesetz. Gerade jetzt, wo das Klima rauer wird, müssen wir alle Kurs halten und Haltung zeigen!

Kürzungen in sozialen Bereichen sind auch in NRW in den nächsten Monaten unvermeidlich, die Haushaltsverhandlungen sehen Kürzungen sogar im Bereich Aids- und HIV Prävention bzw. die Mittel für den Erhalt der Aids-Hilfen im Land vor. Wie beurteilst Du das?

Das ist ein schwerwiegender Fehler. Die Aidshilfen haben immer mehr Aufgaben übernommen. Auch, weil andere da nicht ran wollten. Sie brauchen mehr und nicht weniger Geld. Deswegen haben wir das auch für den aktuellen Haushalt beantragt. Leider haben CDU und Grüne das abgelehnt! Übrigens: Sofern es so sein sollte, dass Kürzungen unvermeidlich sind, dann will ich sehr deutlich machen, dass das eben nicht im sozialen Bereich sein muss. Wo gekürzt wird, ist eine politische Entscheidung. Und da setzen CDU und Grüne in NRW offensichtlich andere Prioritäten als die SPD!

Müsste die Einrichtung einer Landes-Antidiskriminierungsstelle bzw. der Kampf gegen Diskriminierung nicht ganz oben auf die Tagesordnung?

Ja. Die Meldestellen sind ein guter Schritt in diese Richtung. Aber wir müssen schon jetzt feststellen, dass die Mittel vorne und hinten nicht reichen werden. Wir werden das Thema auch weiterhin auf die Tagesordnung setzen. Wie ich es gerade schon sagte: Es reicht nicht, wenn Schwarz-Grün das bei Josefine Paul ablegt. Diskriminierung ist nach wie vor ein Problem: In staatlichen Stellen und auch in Schulen. Die zuständigen Minister*innen können und müssen mehr tun. Deswegen braucht es auch klarere Strukturen und Ansprechpersonen, die dann auch mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden.

In der aktuellen Ausgabe berichten wir auch über queere Menschen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind. Wie wichtig ist der SPD das Thema?

Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind für uns ein wichtiges Thema, ob queer oder nicht. Das ist ein Armutszeugnis für unsere reiche Gesellschaft. Viele Menschen sind betroffen. Leider auch Minderjährige. Ich habe mich zuletzt auch gemeinsam mit meiner Landtagskollegin Lena Teschlade mit betroffenen Jugendlichen ausgetauscht. Aber auch hier gilt: Queere Menschen müssen mit ihren besonderen Bedürfnissen gesehen werden. Leider sind sie häufig auch Opfer doppelter Diskriminierung und Benachteiligung. Wir werden das auch nochmal auf die parlamentarische Tagesordnung setzen.

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