dd. Manfred Weber (CSU ist Spitzenkandidat der EVP für das Amt des Kommissions-präsidenten. Seit 2014 ist er Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Zur Europawahl sprach FRESH mit ihm über LGBT-Themen und Europa.
Herr Weber, Sie kandidieren für das Europaparlament, warum?
In Europa werden wesentliche Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Es geht heute darum, unseren European Way of Life, unsere ganz besondere und weltweit einmalige europäische Art zu leben, zu verteidigen. Und im Europäischen Parlament wird genau darüber entschieden. Bei der Europawahl bestimmen die Menschen, in welche Richtung Europa geht. Ich kandidiere dabei als Kommissionspräsident, der für Europas Werte eintritt, weltoffen ist und mutig die Zukunft anpackt.
Die Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen ist in den vergangenen Jahren immer niedrig ausgefallen. Sie scheint für manche nicht sonderlich wichtig und interessant. Sie sehen das wahrscheinlich anders. Warum?
Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Europapolitik weit weg ist. „Brüssel“ wirkt kalt und bürokratisch. Diese Blackbox müssen wir öffnen, die Politik transparenter machen. Deshalb ist die Europawahl so wichtig: Die Menschen haben das Sagen, wer nächster Kommissionspräsident wird. Ich zeige Gesicht und mein Programm. Die Menschen können auswählen. Und ich will, dass bei der Europawahl über die wichtigsten Themen diskutiert und dann entschieden wird: Stehen wir zum Europa der offenen Grenzen im Inneren? Wollen wir weltweit weiter für fairen Handel mit sozialen und ökologischen Standards eintreten? Bleiben wir ambitioniert in der Klimapolitik?
Herr Weber, als Spitzenkandidat zur Europawahl 2019 interessiert uns natürlich besonders ihre Meinung zum Thema LGBT und Europa: Darf es beim Thema Bürgerrechte von Lesben, Schwulen und Transgender in der EU Zugeständnisse für Beitrittskandidaten geben?
Wer von den Vorteilen unserer Gemeinschaft in Europa profitieren will, muss allerspätestens dann, wenn ein Land Beitrittskandidat wird, natürlich auch für die Werte und Normen der EU eintreten und sie akzeptieren. Dazu gehört, dass Menschen nicht aufgrund ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden dürfen.
CSDs werden auch 2018 in Ländern wie in Polen oder Serbien verboten oder massiv behindert. Wie können Sie dafür sorgen, dass in der EU die Rechte für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten, der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung und vor allem das Demonstrationsrecht durchgesetzt werden können?
Für uns ist die Durchsetzung unserer Grundsätze sowohl bei EU-Staaten, wie in Polen, wie auch in Beitrittsländern, wie in Serbien, wesentlich. In Polen herrscht ein schwieriges Klima durch die Politik der regierenden nationalkonservativen PiS-Partei. Das Verbot oder Unterlaufen von Demonstrationen ist aus meiner Sicht schwer erträglich und steht nicht im Einklang mit dem Demonstrationsrecht und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Aber in vielen Städten, wie etwa Warschau, das von einem Parteifreund von mir regiert wird, fanden die CSDs 2018 aber auch als genehmigte Veranstaltungen statt. Wie kann die Entwicklungspolitik der EU menschenrechtsorientierter werden?
Wie kann man erreichen, dass bei Strafverschärfungen gegen Homosexuelle die Entwicklungszusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt wird und insbesondere die Budgethilfe gestrichen wird?
Die Entwicklungshilfe dient ja der Unterstützung der Menschen vor Ort in den Empfängerländern sowie dem Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft. Das ist eine der Grundbedingungen dafür, dass wir Geld geben. Sollten Regierungen dort derart offensichtlich gegen Menschenrechte verstoßen, müssen wir die Gelder zumindest auf den Prüfstand stellen.
In Algerien, Marokko und Tunesien ist Homosexualität verboten. Dennoch schätzt die Bundesregierung die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten ein. Wie kann man dieses fatale Signal an die Regimes stoppen?
Im Allgemeinen sind die Maghreb-Staaten sichere Herkunftsstaaten und wichtige Partner Europas. Es kann nicht sein, dass illegale Migranten dorthin nicht vereinfacht rückgeführt werden können. Wer hingegen aus politischen Gründen oder aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird, kann auch heute bereits einen entsprechenden Asylantrag in der EU stellen, der dann individuell geprüft wird. Die Definition der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer ist hier kein allgemeines Ausschlusskriterium für ein erfolgreiches individuelles Asylverfahren. Dennoch ist für mich klar, dass die EU bezüglich der Rechte Homosexueller auf die Maghreb-Staaten einwirken muss.