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Warum kuscheln Schwule mit Rechten?

Kulturanthropologe Patrick Wielowiejski bei einem Vortrag in Berlin
Kulturanthropologe Patrick Wielowiejski bei einem Vortrag in Berlin

Warum kuscheln Schwule mit Rechten?

Der Forscher Patrick Wielowiejski recherchierte zwei Jahre in der AfD

cs. Am 18. Januar 2025 kündigte Alice Weidel auf dem Parteitag der Alternative für Deutschland (AfD) an, dass eine Regierung unter ihrer Führung alle Einrichtungen der Gender Studies schließen würde. „Wir schmeißen alle diese Professoren raus“, so Weidel. Kurz vor den Bundestagswahlen wiederum veröffentlichte die Dating-Plattform „Romeo“ die Ergebnisse einer Umfrage unter den Usern, wen sie wählen würden. Rund 22 Prozent nannten die AfD.

Nun gut, die Romeo-Umfrage ist weder repräsentativ noch war sie geschützt vor Manipulationen, somit kann man von einem verzerrten Ergebnis ausgehen. Viel wichtiger ist es jedoch, zu schauen, warum queere Menschen überhaupt rechts wählen oder sich in rechten Gruppierungen organisieren. Denn es gibt sie. Alice Weidel lebt mit einer Frau zusammen, schafft aber den Spagat, privates Leben und (homophobe) Politik unter einen Hut zu kriegen.

Der Berliner Kulturanthropologe Patrick Wielowiejski (Foto oben) hat sich genau diese Frage nach den Motiven gestellt, und zwei Jahre lang schwule Mitglieder der AfD begleitet, hat sie Interviewt, um herauszufinden, ob es verinnerlichter Selbsthass ist, der bei Schwulen so häufig anzutreffen ist, oder ob es andere Anknüpfungspunkte zwischen rechts und queer gibt. Das Buch mit seinen Erkenntnissen ist Ende 2024 erschienen und als kostenloses E-Book verfügbar. Seine Arbeit wurde letztes Jahr mit dem Humboldt-Preis geehrt.

„In meiner Forschung versuche ich zu verstehen, wie und warum gesellschaftliche Konflikte entstehen und welche Rolle Geschlecht und Sexualität in Prozessen der Polarisierung spielen“, beschreibt Wielowiejski sein Interesse am Thema. „Homosexuelle werden zunehmend ins populistische Wir der äußersten Rechten integriert“, stellt Wielowiejski (Foto) fest. Die bisherige Grenze zwischen „normal“ und „pervers“ werde hier aber nicht mehr zwischen „Hetero“ und „Homo“ gezogen.
Versuche, Homosexuelle und ihre Ängste oder Bedürfnisse zu instrumentalisieren, gab es beispielsweise 2012 in Köln. Die rechtsextreme Vereinigung „Pro Köln“ und deren späterer Vorstandsvorsitzender Michael Gabel wollten beim CSD mitlaufen. „Wollen wir die Muslime oder wollen wir die Homosexuellen bei uns haben? Beides zusammen, das wird nicht funktionieren.“ nannte der offen schwule Politiker als Grund. Als antiislamische und rassistische Stimmungsmache durschaute die Kölner Community damals den Vorstoß von „Pro Köln” und wehrte sich gegen die geplante Teilnahme.

Populistische Aktionen nach außen sind das eine, die Haltung schwuler Männer innerhalb der Organisation wollte der Kulturanthropologe genauer erkunden. Von 2017 bis 2019 begab er sich in diesen kleinen Zirkel. „Ich folgte ihnen bei ihren Aktivitäten sowohl als Gruppe innerhalb der AfD als auch jedem Einzelnen, in unterschiedlichen Intensitäten, in seinem jeweiligen lokalen Parteiengagement. Meine Forschung führte mich auf Kongresse und Demonstrationen, Sommerfeste und Neujahrsempfänge, zu Wahlkampfständen in Innenstädten und zu Vorträgen in Stadthallen und Gaststätten, aber auch auf informelle Spaziergänge und Kneipenbesuche“.

Homosexuelle werden von der AfD nicht als Feinde imaginiert, stellt der Forscher fest. Sie werden unter der Bedingung toleriert, dass sie die heteronormativen gesellschaftlichen Strukturen nicht grundsätzlich infrage stellen. Die Männer, die er kennenlernte, unternehmen den Versuch, einerseits als Feinde des Islam und andererseits als Feinde der Linken zu Freunden der äußersten Rechten zu werden. Um akzeptiert zu werden, bedienen sie sich einer schwulen Queerfeindlichkeit und eines schwulen Antigenderismus sowie eines bewusst provokativen Auftretens, wodurch das stilistische Repertoire des Rechtspopulismus bedient werden soll. Die Ablehnung emanzipatorischer Lebensstile ist es, die sie mit den anderen Parteigenossen teilen. Sie fühlen sich in diesem Männerbündnis aufgehoben, das ihnen mehr Sicherheit zu geben scheint als eine Außenwelt, die von Unsicherheiten und Vielfalt geprägt ist. Das Freund-Feinddenken ist hier besonders wichtig für sie.

Info: „Rechtspopulismus und Homosexualität – Eine Ethnografie der Feindschaft” von Patrick Wielowiejski. Campus Verlag, 2024. Kostenloser Download als E-Book:

Info: https://www.campus.de/e-books/wissenschaft/kulturwissenschaft/rechtspopulismus_und_homosexualitaet-18377.html

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