Firmen und der CSD: Erst Pinkwashing, jetzt Regenbogen-Fahnenflucht
cs. Es wird bunt, regenbogenbunt. In den Schaufenstern großer Modeketten taucht Rainbow-Fashion auf, Adidas malt den Regenbogen auf seine Schuhe, Beim Discounter steht die Dose Nivea mit der Progressive Rainbow Flag auf dem Deckel im Regal. Lego bastelt für uns ein teures Regenbogen-Paket zusammen, ein internationales Versicherungsunternehmen lässt die Fenster seines Bürogebäudes sogar nachts in den sechs bekannten Farben erstrahlen. Was sind wir doch alle mit euch – der Community – so ganz dolle solidarisch! Dafür dürft ihr auch gern bei uns einkaufen. Deal?
Die angesprochene Zielgruppe weiß, dass sich dahinter oft nur „Pinkwashing“ verbirgt. Eine Marketingstrategie, bei der Unternehmen oder Organisationen oberflächlich eine positive Haltung gegenüber der LGBTQ+-Community und ihren Themen einnehmen, um sich ein moderneres Image zu verschaffen.
Kritisiert wird die Scheinheiligkeit und die Nutzung von Symbolen der LGBTQ+-Bewegung, ohne tatsächlich für die Belange der Community einzustehen. Ist der CSD vorbei, werden die übrig gebliebenen Regenbogen-Artikel verramscht, die verkaufsankurbelnden Symbole verschwinden von den Verpackungen. Bis zum nächsten Jahr.
Doch auf Dauer kann Pinkwashing die LGBTQ+-Bewegung schwächen, da es eine Solidarität mit Unternehmen oder Organisationen suggeriert, die sich nicht wirklich für die Rechte der Community einsetzen. Ein echtes Engagement für die LGBTQ+-Community dagegen umfasst strukturelle Anpassungen und die Unterstützung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechteridentitäten und Sexualitäten.
Will man erfahren, wie ernst es ein Unternehmen tatsächlich meint mit der Gleichberechtigung und was die Arbeitgeber für ihre queeren Angestellten tun, hilft ein Blick auf die Unternehmens-Websites. Finden sich dort
Hinweise auf ein verbindliches Diversity-Programm oder gibt es organisierte queere Gruppen in der Firma, die sich treffen und öffentlich äußern dürfen? Gibt es Ansprechpartner für mögliche Opfer von Diskriminierung? Oder werden Diversity-Schulungen angeboten? All dies sind Indizien dafür, dass mehr Substanz und Ernsthaftigkeit dahintersteckt.
Die Organisationen der CSDs stecken in einer Zwickmühle. Denn die dahinterstehenden Vereine benötigen jeden Euro den sie kriegen können. Um die großen und teuren Events überhaupt stemmen zu können, wirbt man um Sponsoren und deren Gelder. Ob die Firmen hauptsächlich ihr Image aufpolieren wollen oder ob gesellschaftliches Engagement dahintersteckt, mag dann erstmal zweitrangig sein.
Möglicherweise kommt auf die CSD-Veranstalter aber noch ein ganz anderes Problem zu: Die Fahnenflucht. In den USA werden die Rechte queerer Menschen beschnitten und Förderprogramme gestrichen. In Ungarn will die Regierung CSD-Demos per Gesetz verbieten. Die Städte in Deutschland und die Länder schnüren wegen fehlender Einnahmen ihre sozialen Geldbeutel enger. So kamen vom Land NRW in diesem Jahr für jeden CSD nur 2.000 Euro an Zuschüssen. Eine Reduzierung um mehr als die Hälfte.
Der Trumpismus hat derweil beim Cologne Pride eingeschlagen. Von dort war zu hören, dass sich mehrere Unternehmen, die wirtschaftlich mit den USA verbunden sind, künftig zurückhalten wollen. Der Kölner Stadtanzeiger hat nach eigenen Recherchen bestätigt bekommen, dass man bei Ford das Engagement finanziell reduzieren wolle. Und das Vorgaben aus den USA dabei auch eine Rolle spielen. Die Deutsche Telekom bestätigte, dass deren Tochterunternehmen in den Staaten bereits Zusagen gegenüber den US-Behörden gemacht hat, Diversity-Programme aufgeben zu wollen. Man befinde sich in einem Spannungsfeld, hieß es aus Bonn.
Sollte der Geldhahn tatsächlich in den kommenden Jahren weiter zugedreht werden, bedeutet dies aber nicht ein Ende der CSDs. Der politische Kampf wird immer wichtig bleiben, dessen Umsetzung wird nicht an weniger Geld scheitern oder durch Firmen, die sich wegducken, behindert werden.
