Den Hass sichtbar machen und handeln
Was macht die neue Melde- und Informationsstelle Queerfeindlichkeit in NRW?
dp. In Nordrhein-Westfalen gibt es jetzt eine vom Land finanzierte Meldestelle für queerfeindliche Diskriminierung. Träger ist das Queere Netzwerk NRW. Über Aufgaben und Ziele sprachen wir mit Laura Becker und Patrick Orth, Vorstände des Queeren Netzwerks NRW.
Endlich ist es so weit und die Melde- und Informationsstelle MIQ NRW startet. Warum ist das so wichtig?
Laura: Die Melde- und Informationsstelle Queerfeindlichkeit (MIQ NRW) will Queerfeindlichkeit in NRW sichtbar machen. Gerade im Alltag erlebte Diskriminierungserfahrungen tauchen bisher in kaum einer Statistik auf und das sogenannte Dunkelfeld ist riesig. Das liegt daran, dass es bisher keine Stelle gibt, die Meldungen systematisch annehmen kann. Hier setzen wir an und bitten queere Menschen darum, uns ihre erlebte Queerfeindlichkeit anonym zu berichten. Nach und nach soll so ein umfassenderes Bild von queerer Diskriminierung in NRW entstehen. Als Vorstand des Queeren Netzwerks NRW kann ich nur sagen: Das ist ein Meilenstein nordrhein-westfälischer Queerpolitik.
Wer kann Meldungen bei Euch abgeben?
Patrick: Alle Menschen, die Queerfeindlichkeit in NRW erlebt haben. Dazu zählt natürlich auch Online-Diskriminierung, sofern die Menschen in NRW leben. Ob der Vorfall in der Straßenbahn, in der Familie, im Beruf, im Sportverein oder eben bei Social Media passiert ist, spielt keine Rolle. Ganz im Gegenteil wollen wir ja die gesamte Gesellschaft in den Blick nehmen, weil queere Menschen überall Teil der Gesellschaft sind.
Außerdem können Zeug*innen melden, wenn sie queerfeindliche Vorfälle beobachtet haben. Und natürlich nehmen wir auch Meldungen von Organisationen auf, z.B. wenn eine queere Selbsthilfegruppe angepöbelt wird, die Räumlichkeiten eines Queeren Zentrums beschmiert werden oder z.B. eine Gewerkschaft angefeindet wird, weil sie sich für trans*inklusive Arbeitsplätze einsetzt.
Wie läuft eine Meldung genau ab?
Laura: Eine Meldung bei uns ist schnell und unkompliziert. Sie kann jederzeit online auf www.miq.nrw getätigt werden. Das ist vom Computer zuhause genauso möglich, wie unterwegs vom Handy. Es dauert nur ein paar Minuten.
Neben ein paar statistischen Daten geht es vor allem um die Beschreibung des Vorfalls, also was ist den Menschen passiert. In einem Freitextfeld kann die erlebte Queerfeindlichkeit in eigenen Worten ganz unkompliziert geschildert werden. Je genauer der Vorfall beschrieben wird, desto besser können wir ihn später auswerten. Wenn nicht mehr jedes Detail erinnert wird, ist das aber nicht schlimm. Namen, Ortsbezeichnungen oder identifizierbare Beschreibungen nehmen wir übrigens nicht auf. Die Meldung erfolgt immer komplett anonym und mit möglichst wenig Hürden.
Was passiert mit den Meldungen?
Patrick: Alle Meldungen werden zunächst vollständig anonymisiert, sollte doch noch irgendwo ein Name oder eine Adresse im Freifeld eingetragen worden sein. Die Auswertung erfolgt anhand eines mit der Wissenschaft entwickelten Auswertungstools. Einmal im Jahr werden wir die Meldungen in einem Bericht zusammenfassen und veröffentlichen. Über die Jahre lassen sich so auch Entwicklungen und Trends darstellen. Sprich: Wie weit sind wir in NRW beim Abbau von Queerfeindlichkeit eigentlich gekommen.
Als MIQ NRW wollen wir auf Grundlage der Meldungen auch Diskriminierungsmuster aufdecken und Handlungsempfehlungen an Politik und Gesellschaft geben. In welchen Bereichen liegen besonders viele Meldungen vor und welche Maßnahmen könnten dagegen helfen? Auch Präventionsmaßnahmen können durch die Meldungen zielgruppenspezifisch entwickelt werden. Allerdings setzen wir diese Maßnahmen als MIQ NRW nicht selbst um – das ist dann Aufgabe der Politik.
Wie verhält es sich mit dem Datenschutz?
Patrick: Selbstverständlich werden alle Datenschutzvorgaben umfassend eingehalten. Bei jeder Meldung werden zunächst automatisiert alle technischen Hintergrundinformationen, wie z.B. die IP-Adresse, gelöscht. Aber auch, wenn personenbezogene Daten in Textfeldern auftauchen, werden diese gelöscht. Nachdem die Daten dann bereinigt wurden, werden sie in einer sicheren IT-Umgebung gespeichert. Für die Jahresberichte verwenden wir dann ausschließlich anonymisierte Daten – es kann also niemand wiedererkannt werden.
Bietet Ihr auch Beratung für die Meldenden an?
Laura: Manchmal kann erlebte Queerfeindlichkeit sehr belasten oder sogar traumatisieren. Hier ist es wichtig, dass Betroffene mit Freund*innen oder anderen Vertrauten sprechen – oft hilft das, um damit besser klarzukommen. Für einige kann professionelle Unterstützung zusätzlich ein guter Weg sein. MIQ NRW selbst bietet keine Beratung an, wir geben nach dem Meldevorgang aber Hinweise auf Beratungs- und Anlaufstellen in NRW.
Unterstützt die Politik die Meldestellen?
Laura: MIQ NRW wurde durch eine schwarz-gelbe Landesregierung initiiert und geht nun unter Schwarz-Grün an den Start. Die Meldestellen sind ein hervorragendes Instrument, um Queerfeindlichkeit in NRW zukünftig noch wirksamer abbauen zu können. Insofern ja: Wir nehmen wahr, dass sich alle demokratischen Fraktionen in NRW gegen Queerfeindlichkeit aussprechen, was ja Erfolg und Selbstverständlichkeit zugleich ist.
Rechnet Ihr mit vielen Meldungen?
Patrick: Ja! Wir wissen aus unserer Arbeit, wie verbreitet Queerfeindlichkeit noch immer ist. Während der Aufbauphase haben wir eine Umfrage gemacht, mit der wir herausfinden wollten, wann Menschen einen queerfeindlichen Vorfall melden würden. Wir hatten mit 200 Rückmeldungen gerechnet, tatsächlich kamen über 700 Antworten. Wir sind überzeugt, dass jede Meldung einen Unterschied macht. Deshalb ist es so wichtig, dass Diskriminierungserfahrungen gemeldet werden!
