dp. Lilith Raza ist eine queere trans*-Aktivistin aus der Islamischen Republik Pakistan, die seit 2012 in Deutschland lebt. Sie setzt sich für die Rechte von LSBTI*-Geflüchteten ein und vertritt die Transgender-Community in Workshops und Konferenzen zum Thema LSBT*IQ in Deutschland und ist im Vorstand des Queeren Netzwerks NRW: Mit FRESH sprach sie über die Projekt-Fachstelle #MehralsQueer, die die NRW-Haushaltskürzungen nur durch viele Protestaktionen überlebt hat.
Lilith, Ihr habt im letzten Jahr sichtbar für die Fortsetzung von #MehrAlsQueer gekämpft. Wie ist der Stand?
Wir wissen endlich, dass die Fachstelle ihre wichtige Arbeit mit und für queere BI_PoC fortsetzen kann. Das ist eine unglaublich gute Nachricht und hat vor allem mich persönlich sehr gefreut. Wir brauchen mehr intersektionale Projekte in NRW, nicht weniger. #MehrAlsQueer ist ein Zukunftsprojekt!
Also ein großer Erfolg?
Es ist ein Erfolg, der aber nicht als solcher bezeichnet werden sollte. Die Arbeit von #MehrAlsQueer ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wir können immer über neue Projekt-Schwerpunkte sprechen und manchmal müssen auch Kürzungen verkraftet werden. Aber das ganze Projekt zu streichen, war inhaltlich einfach nur falsch. Wir sind froh, dass das korrigiert wurde.
Für mich ist es ganz wichtig, hier einmal klar Danke zu sagen an die großartigen Communities und Gruppen von queeren BI_PoC in ganz NRW. Eure Sichtbarkeit, euer Protest und die ehrliche Empörung gegen die Streichung von #MAQ haben Wirkung gezeigt. Das gilt selbstverständlich auch für die Kolleg*innen der Fachstelle. Das war großartig und macht mir Mut.
#MAQ ist eine einzigartige Anlaufstelle für Themen von queeren BI_PoC und macht ihre spezifischen Diskriminierungen und Bedarfe sichtbar. Ohne #MAQ bleibt es unsichtbar und das ist schlimm, weil es Diskriminierung nicht abbaut, sondern verstärkt. Die Fachstelle leistet zudem Sensibilisierung für Strukturen der Integrationsarbeit und Workshops in queeren Communities. Es ist ein unverzichtbarer Baustein, damit sich Menschen wie ich in NRW Zuhause fühlen können.
Das klingt, als wäre Diskriminierung auch in queeren Communities ein Thema für Dich?
Ja klar. Natürlich erlebe ich in queeren Communities auch Diskriminierung. Und das ist oft noch viel schwerer zu ertragen als in der Mehrheitsgesellschaft, weil queere Orte eigentlich immer auch Sicherheit und Empowerment bedeuten. Für mich sind sie das aber nicht immer. #MehrAlsQueer hat ja genau hier angesetzt. Einerseits wurde Empowerment angeboten, um BI_PoC auch gegen den Rassismus und queere Communities zu stärken. Viele können sich das nicht vorstellen, aber das macht einen Unterschied. Andererseits wird Sensibilisierung angeboten, um queersensible Orte auch zu rassismussensiblen Orten zu machen. Beides ist unverzichtbar – gerade auch in Zeiten, in denen beides gesamtgesellschaftlich zunimmt: Queerfeindlichkeit und Rassismus.
Ist #MAQ insofern auch eine Maßnahme gegen rechten Hass?
Natürlich. Der rechtspopulistische Erfolg beruht ja auch auf Fake News und Unwahrheiten, nicht nur, aber auch über Queers und über People of Color. Das hat mich an den Kürzungen im queeren, aber auch im Integrationsbereich so schockiert. Wir brauchen doch gerade jetzt mehr Sichtbarkeit, Teilhabe, Vielfalt und Aufklärung für unsere Demokratie, weil uns das wehrhaft macht. Immer öfter und bedrohlicher hinterfragen Rechtspopulist:innen unsere Gleichheit und Selbstbestimmung – und als Reaktion kürzen demokratische Parteien unsere demokratiefördernden Projekte? Das ist doch absurd!
Wie geht es bei #MehrAlsQueer nun weiter?
Wir nutzen die Energie gegen die Streichung und machen entschlossen weiter, um die Communities von #MAQ zu stärken und zu empowern. Für dieses Jahr haben wir zwei Schwerpunkte: Einerseits die Sensibilisierungen im Bereich Integration und dann vor allem das Empowerment von queeren BI_PoC. Gerade auf dieses Empowerment freue ich mich sehr, weil es in den Zeiten von öffentlichem Hass immer wichtiger wird.
Hier setzen wir auch auf die in Kürze startende Meldestelle Queerfeindlichkeit. Ich vermute leider, dass viele gemeldete Erfahrungen insbesondere eine Mehrfachdiskriminierung betreffen werden – und damit auch eine Schnittstelle, die #MAQ betrifft. Auch deshalb: Gut, dass #MehrAlsQueer weitergeht.
- Mehr als Queer
Die landesweite Fachstelle #MehrAlsQueer (#MAQ) stellt Informationen zur Verfügung und bietet Beratung an – zum Beispiel zu den Themen sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Kontext von Rassismus-Erfahrungen, Migration, Religion und Flucht in NRW. Aus einer intersektionalen Perspektive sensibilisieren sie für die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen, asexuellen und queeren (LSBTIAQ*) Menschen, die Mehrfachdiskriminierung erleben. Sie vernetzt haupt- und ehrenamtliche Fachkräfte, Teams und Organisationen aus der LSBTIAQ*-Selbsthilfe, migrantische Selbst-organisationen, Integrationsagenturen oder Einrichtungen der Sozialen Arbeit. Zu den Arbeitsbereichen gehört auch die Ausgestaltung von Workshops, Vorträgen und anderen Bildungsveranstaltungen zu Themen wie LSBTIAQ* und Rassismus. Das zentrale Ziel ist das Empowerment von queeren BPoC (Black People und People of Color) und Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung. Insbesondere fokussiert sich #MAQ auf die Stärkung von Selbstorganisation und eigenen Strukturen in NRW. #MAQ gibt es seit Anfang 2019 und wird gefördert vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Inte-gration des Landes Nordrhein-Westfalen.
