dd. Heidi Reichinnek (Die Linke) ist eine deutsche Politikerin. Seit Oktober 2021 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und dort seit März 2025 Vorsitzende der Fraktion Die Linke. Zusammen mit Jan van Aken war sie Spitzenkandidatin der Linken bei der Bundestagswahl 2025.
FRESH sprach mit ihr über aktuelle queerpolitische Fragen.
Frau Reichinneck, der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Artikel 3 des Grundgesetzes beim Bundestag einzubringen. Ziel: ein Verbot der Diskriminierung von Queers verfassungsrechtlich verankern, so dass künftig auch queeres Leben explizit geschützt werden soll. Der Ball liegt jetzt beim Bundestag. Wie werden sich die Linken verhalten? Können wir davon ausgehen, dass alle Abgeordneten der Linken dafür stimmen werden?
Die Position der Partei Die Linke steht seit jeher fest: Wir treten ein für die Ergänzung des Artikel 3 um die Merkmale der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität. Das ist ein Versprechen in unserem Wahlprogramm. Als Partei sind wir diesbezüglich seit vielen Jahren im engen Austausch mit den queeren Verbänden. Ob die Grundgesetzänderung Realität wird, liegt ausschließlich am Abstimmungsverhalten der CDU/CSU. Alle anderen Parteien haben diesbezüglich eine klare Position.
Die Abspaltung eines Teils der Linken unter Sahra Wagenknecht hat u.a. wegen ihrer Transfeindlichkeit für starke Irritationen in der Community gesorgt. Wie sehr trug diese Politik Ihrer Meinung nach zum Niedergang dieser Neugründung bei? Kann die Community weiter darauf setzen, dass sich Die Linken ohne wenn und aber für queere Rechte einsetzen werden?
Sahra Wagenknecht hat eine politische Entscheidung getroffen und die Ergebnisse sprechen für sich. Wagenknechts Kalkül, man könne wieder stark werden, indem man gesellschaftliche Minderheiten vor den Bus wirft, ist gescheitert. Wer menschenfeindliche Positionen will, der wählt die AfD. Dass Die Linke wieder auf die Beine gekommen ist, ist nicht zuletzt auch dem Rückhalt aus den queeren Communities zu verdanken. Dementsprechend haben queere Menschen auch berechtigte Erwartungen an unsere Partei. Der Kampf für die Rechte queerer Menschen ist wichtiger Bestandteil der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung – vom Kampf gegen den Paragrafen 175 bis zum Selbstbestimmungsgesetz. Selbstverständlich werden wir die Belange queerer Menschen auch weiterhin ins Parlament und auf die Straße tragen.
Die Gewalt gegen queere Menschen ist aktuell auf einem Höchststand. Wo sehen Sie die Ursachen und wie kann man gegensteuern und so queere Menschen besser schützen?
Die seit Jahren zunehmende Hetze gegen queere Menschen trägt bedauerlicherweise Früchte. Dabei reden wir nicht nur von rechtsex-tremen oder religiös-fundamentalistischen Gruppen, sondern auch bürgerlichen Politiker*innen, die glauben, sie könnten mit Queerfeindlichkeit billigen Applaus abräumen. Die Tiraden rund um die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes waren dafür ein ekliges Beispiel. Wenn jetzt im Zusammenhang mit dem Bundesratsbeschluss zur Ergänzung des Diskriminierungsschutzes in Artikel 3 Grundgesetz auf queere Menschen wieder ganz tief in die rechte Mottenkiste gegriffen und queeres Leben in die Nähe von Pädophilie gerückt wird, dann wird dieser Trend damit fortgesetzt. Nicht zuletzt die Union steht hier in der Pflicht, den Flirt mit der extremen Rechten endlich einzustellen und den Kulturkampf auf dem Rücken queerer Menschen zu beenden. Darüber hinaus setzen wir als Die Linke auf Präventionsarbeit, insbesondere in Schulen, Beratungsangebote sowie auf die Stärkung solidarischer Strukturen aus den Communities heraus, etwa im Bereich der Opferhilfen oder des Selbstschutzes. Dafür müssen die entsprechenden Gelder bereitgestellt werden. Es kann nicht sein, dass in Zeiten klammer Kassen immer zuerst Community-Projekte plattgemacht werden.
Sind Sie für ein komplettes AfD- Verbot? Kommt das nicht zu spät? Antisemitismus, Rassismus, NS-Relativierung, Queerfeindlichkeit und Geschlechtervorstellungen aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts sind dann immer noch in sehr vielen Köpfen in Deutschland verankert…
Die AfD muss verboten werden – besser spät als nie. Hier geht es nicht zuletzt auch darum, den rechten Sumpf organisatorisch wie finanziell trocken zu legen. Für queeres Leben sind die AfD und ihr Umfeld die größte politische Bedrohung seit Bestehen der Bundesrepublik. Richtig ist aber, dass das Problem des Rechtsrucks sich nicht durch ein AfD-Verbot allein in Wohlgefallen auflöst. Studien legen einen Zusammenhang zwischen dem Erfolg rechter Parteien und steigender Mieten oder einer kaputten öffentlichen Infrastruktur, sei es bei Bahn, Schulen oder Krankenhäusern, nahe. Es braucht eine andere Politik. Deshalb tritt Die Linke für eine antifaschistische Wirtschaftspolitik ein, die Investitionen in öffentliche Gemeingüter, eine Erneuerung des Sozialstaats und die Interessen von Arbeitnehmer*innen ins Zentrum stellt.
Wie können Sie weiter Druck auf die Bundesregierung machen bei der Reform des Abstammungsgesetzes? Muss die Diskriminierung v.a. lesbischer Eltern durch die erforderliche Stiefkindadoption nicht endlich beendet werden?
Eine Reform des Abstammungsrechtes ist überfällig, und wir befassen uns mit dem Thema im Rahmen unserer parlamentarischen Arbeit. Dabei müssen nicht nur die Interessen lesbischer, sondern auch die von trans Eltern Berücksichtigung finden. Es gehört zu den großen Versäumnissen der Ampel-Regierung, dass dieses Thema komplett liegengeblieben ist. Schon beim alten Transsexuellengesetz waren es die Gerichte, die die Regierung zum Handeln zwingen mussten. Wenn die Bundesregierung nicht bald mal in die Gänge kommt, wird das auch hier der Fall sein.
