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Gesundheit

Sex, Drugs, NRW

Einblicke in die “chemsfriendly”-Szene zwischen Dortmund und Düsseldorf

von Christian Scheuss

Thank God, it’s Friday! Höchste Zeit sich aufzuhübschen, vorzuglühen und dann ab auf die nächste Party. Tanzen, Trinken, Schwatzen, Schwitzen, Flirten, und eventuell sogar Ficken. Wenn man jemanden findet, der passt. Es ist das übliche Clubbing an den Wochenenden, das tausende Schwule zwischen Dortmund und Düsseldorf auf die Autobahnen hin zu den Clubs treibt. Doch dann gibt es da noch eine andere Gruppe, die das Tanzen überspringen und lieber gleich zur Sache kommen. Ihr Club ist die nächste Sexparty, entweder in einer der Cruisingbars, Saunen oder ganz privat.

Gerade in den persönlichen Zirkeln sind die Drogen nicht weit. Man ist „chemsfriendly“, das Codewort, das Eingeweihten signalisiert: Hier geht in der Regel mehr als Alkohol, Poppers ist „Kinderkram“, der Joint, der in der Runde kreist, steht nicht allein auf der Liste der Substanzen, die zur Bewusstseinsveränderung eingenommen werden.

Drogen in der Partyszene sind ein alter Hut. Wer in Düsseldorf, Essen, Bochum, Dortmund die Bars besucht, die noch zum Chillout laden, wenn die Clubs bereits geschlossen haben, der trifft dort eine Menge der „Verstrahlten“. Doch darüber wird wenig öffentlich gesprochen. Klar, welcher Partyveranstalter und welcher Clubbetreiber würde unumwunden zugeben, dass die Besucher ihre geweiteten Pupillen nicht vom Bierkonsum bekommen haben. Außer Alkohol und Tabak ist schließlich alles andere staatlich sanktioniert. Wer eine allzu offensichtlich konsumierende Szene beherbergt, muss mit Ärger durch Polizei und Behörden rechnen. Deshalb wurde bei unseren Anfragen zu einem Statement von Partyveranstaltern abgewunken. Man will unter dem Radar bleiben und in kein schlechtes Licht gerückt werden.

Noch verschwiegener und versteckter geht es im privaten Bereich zu, wo man zu Sexpartys lädt, um geil und high zu sein. Auf der Datingplattform Barebackcity wird in unserer Region zwei- dreimal im Monat zu privaten Chems-Partys eingeladen, in Köln, Dortmund oder auch schon mal irgendwo auf dem Lande. Wer mitmischen will, der muss zum Beispiel in den Memberbereich der diversen Chemclubs bei Gayromeo gelangen. Die größte Rolle in NRW spielt der GR-Club „Chems-bare-fun-CGN“ mit rund 1000 Mitgliedern, die Hälfte davon aus Nordrhein-Westfalen. „Crazy Sex durchgeknallt, das ist, was mir gefällt. Wohne aber in Meerbusch…“ lautet die nüchterne Einschätzung eines Users aus der Provinz. Der 27-jährige Jens aus Essen (alle Namen geändert) sucht gemeinsam mit seinem Freund – in der Regel am Wochenende – Leute zum „Mitspielen“. Auf einem Foto in seinem Profil sitzt er nackt im Wohnzimmer, einen Riesenjoint in der einen Hand, die andere bearbeitet seinen Johnny. Auf dem TV-Gerät im Hintergrund läuft ein Porno. Ein weiteres Bein im Bild signalisiert, dass Jens nicht allein ist. Fred aus Wuppertal ist nicht nur Experte in Sachen „High Fun“, er ist auch ein Abkürzungsspezialist mit vielen Interessen: „Suche BB, FF, DD, TT, TG, Cum, Blow Job, Group, Rape, Rosebud, Muscle, Kiss, Rimming, Spermbank, Public, Chems, Video“. Alles klar?

Wer den Kick mit Chems sucht, der wird nach wie vor und überwiegend über die Niederlande versorgt. Marihuana, Ecstasy, Speed, Kokain, Mushrooms – viele Dealer decken sich über Kontakte im Nachbarland ein. Doch auch das Internet ist auf dem Vormarsch. GBL, das chemische Vorprodukt, aus dem GHB produziert wird, lässt sich als Felgenreiniger ordern. Seit längerem gibt es im WWW Handelsplätze für Illegales.
Fred, der Mann mit den vielen Abkürzungen, kennt die verschlungenen Pfade dorthin: „Du zahlt mit einer rein virtuellen Währung, hast nur über einen Anonymisierungsdienst  Zugang zum Handelsplatz.“ Dieser ist Treuhänder für beide Seiten, gegen Kommission, versteht sich. Geliefert wird nach Zahlungseingang, bezahlt wird der Dealer nach Wareneingang. „Du kriegst dort wirklich alles von Ketamin, MDMA, LSD, Crack, Methamphetamin, und in der Regel besserer Stoff als auf der Straße“, weiß Fred.

Die Szene blüht also im Verborgenen, und das ist nicht ganz ohne Risiken. Denn wer seinen Sex mit Hilfe von Drogen erleben will, der sollte sich gut auskennen. Was will ich überhaupt damit erreichen? Wer sich fisten lassen will, aber Angst vor Schmerzen hat, der kann mit bestimmten Substanzen über seine bisherigen Grenzen gelangen. Möchte ich mit meinem Partner und dem Universum verschmelzen? Dann sollte es was Psychodelisches sein. Will ich chilligen Sex oder rammeln ohne Ende? Es gibt für all das die entsprechenden Mittel. Wie wirkt also welche Substanz, welche Neben- und Wechselwirkungen sind zu erwarten? Was kann ich tun, wenn etwas schief läuft, und was ist überhaupt mit Safer Sex? Es ist kein Zufall, dass sich die Chem-Clubs bei Gayromeo in der Regel auch als Barebackclubs definieren. Das Risikomanagement, das man für sich im nüchternen Zustand gut einhalten kann, funktioniert nicht, wenn man verpeilt ist.

Die Deutsche AIDS-Hilfe will in diesem Monat das Schweigen zu diesem wichtigen Thema brechen, und schickt ein neues Rollenmodel für die Kampagne „ICH WEISS WAS ICH TU“ an die Öffentlichkeit. Florian, der gerne mal am Wochenende nach Berlin oder Köln zu Sexpartys fährt, sagt: „Die Dosis macht das Gift“. Er plädiert damit für einen bewussten und kontrollierten Umgang mit dem Rausch beim Sex.

„Ich lebe eigentlich in zwei Welten“, sagt Florian (33) über sein Leben, dass er zum einen mit seinem Mann in Augsburg führt. Die beiden sind seit über 10 Jahren zusammen. Sie gehörten zu den ersten Paaren in der Stadt, die die Lebenspartnerschaft eingingen. Gemeinsam sind sie selbständig, Florian ist außerdem noch als Journalist tätig.


Rollenmodell Florian von der IWWIT Kampagne ©DAH

Florian „Ich lebe eigentlich in zwei Welten“

Zum anderen ist da Florians Partyleben. Das findet hauptsächlich in anderen Städten statt, besonders in Berlin. Er liebt die Anonymität dort, die vielen Möglichkeiten, sich und seine Vorlieben ausleben zu können. Davon weiß auch Florians Mann, der zwar diese Vorlieben nicht teilt, aber Florians zweite Seite akzeptiert.  

Sexpartys sind dabei fester Bestandteil. Er steht auf Gruppenaktionen, Sex mit vielen verschiedenen Männern. Drogen gehören für ihn dazu. Durch sie bringt ihm der Sex die Befriedigung, die er sich wünscht. Außerdem helfen sie ihm, mit seinen Partnern auch härtere Sexpraktiken auszuführen, da sie ihn lockerer und schmerzunempfindlicher machen. Er hat in den vergangenen Jahren schon einiges ausprobiert; angefangen bei Poppers, über Speed und Crystal bis zu GHB und Ketamin.

Für ihn war schnell klar: „Die Dosis macht das Gift.“ Wichtig ist ihm beim Drogenkonsum, dass er die Kontrolle behält. Er hat sich klare Regeln für die Einnahme aufgestellt.

Seit einigen Jahren ist Florian HIV-positiv. Als ihm sein Testergebnis mitgeteilt wurde, war er geschockt, ganz ausgeschlossen hatte er ein positives Testergebnis aber nicht.

Warum er auf Sexpartys Drogen konsumiert, welche Rolle sein HIV-Status für ihn spielt und welche Strategien er hat, um das Risiko bei der Einnahme von Drogen gering zu halten, beschreibt er im Interview.

Wann hast du zum ersten Mal Drogen ausprobiert?
Wenn man mal die gesellschaftlich akzeptierten Drogen wie Alkohol oder Nikotin ausblendet, dann war da der erste Kontakt schon vor meinem Coming-out. Das begann auf den Plätzen, auf denen ich zum Cruisen war. Da hat mir irgendwer mal Poppers angeboten, ich habe angenommen und habe gemerkt, dass es für mich damit viel einfacher ist, Sex zu haben. Später kamen andere Drogen dazu. Mit 19, 20 gab es aber nur Poppers für mich. Und ohne Poppers gab es für mich keinen Sex. Das war damals eine relativ hohe Abhängigkeit. Heute spielt Poppers für mich keine so große Rolle mehr. Vor allem deswegen, weil es für mich inzwischen Substanzen gibt, die für mich besser passen.

Eine Abhängigkeit von Poppers? Wie kam das?
Ich war eigentlich ziemlich schüchtern. Poppers enthemmt ja. Da hab ich mich einfach mehr getraut, gerade auch auf den Cruising-Plätzen. Und dann hat es mir natürlich geholfen, Schmerzen bei bestimmten Sexpraktiken zu unterdrücken.

Wie hat sich das weiter entwickelt?
Zu anderen Drogen kam ich über meinen Freundeskreis und Bekannte. Da fing es „ganz harmlos“ mit Kiffen an. Irgendwann kam Speed dazu. Da gab es mitunter lange Wochenenden, an denen wir von Freitag bis Montag wach waren und häufig konsumiert haben. Das hatte damals aber noch nichts mit schwuler Szene oder Sex zu tun. Ich hab’s einfach im Freundeskreis ausprobiert. Erst später habe ich es dann für meine Sexpartys adaptiert, um auch da länger Spaß zu haben und es länger auf der Party auszuhalten.
Ich habe früher auf Partys gar nicht mitbekommen, dass Leute Drogen konsumieren, weil ich selbst nie etwas genommen habe. Wenn man dann aber selber konsumiert, erkennt man auch andere, die das machen. Aus der gemeinsamen Erfahrung mit Drogen auf den Partys haben sich dann auch Freundschaften entwickelt.

Was hattest du früher für eine Einstellung zu Drogen, als du noch nicht regelmäßig konsumiert hast?
Wenn du mich mit 18 gefragt hättest, ob ich Drogen probieren würde, hätte ich ganz klar „Nein“ gesagt. Ich wurde konservativ erzogen, und so war auch mein Bild von Menschen, die Drogen nehmen: Ich stellte mir immer vor, dass die mit Nadeln in den Armen im Frankfurter Bahnhofsviertel liegen. – Ich habe erst nach Jahren festgestellt, dass es unterschiedliche Arten von Drogenkonsum gibt. Und dass es auch einen bewusst gesteuerten Drogenkonsum gibt. Ich würde mich zum Beispiel nicht als abhängig bezeichnen. Drogen sind für mich klarer Bestandteil von Sexpartys. Und ich nehme sie auch nur da. Ich lebe in einer Berufs- und einer Freizeitwelt. Während meiner Arbeitswoche und in meinem normalen Umfeld haben für mich Drogen gar keinen Stellenwert. Ich habe auch kein Problem damit, zwei Wochen auf keine Party zu gehen und auf Drogen zu verzichten. Ich habe auch keinerlei Entzugserscheinungen oder fühle mich körperlich oder psychisch abhängig. Ich brauche die Drogen dann einfach nicht.

Das hört sich an als ob Du nie negative Erlebnisse mit Drogen hattest?
Natürlich gab es da auch negative Erfahrungen. Zum Beispiel hatte ich die mal bei GHB. Ich hatte da zu schnell und zu viel nachgenommen. Ich hatte schlicht überdosiert. Man verliert damit total das Zeitgefühl. Ich hatte dann Schwierigkeiten zu realisieren, wie spät es ist und wann ich zuletzt was genommen hatte.
Ich bin da einmal in einem Club auf einer Toilette aufgewacht. Die Party war schon zu Ende und das Licht zum Putzen war an. Von ein bis zwei Stunden weiß ich gar nichts mehr. Die muss ich auf der Toilette verbracht haben. Schlafend oder was auch immer. Mir ging es danach echt schlecht. Ich hatte Probleme mit dem Kreislauf, mir war schwindelig und ich habe mich übergeben.
Zum Glück war ich mit jemandem da, der nicht einfach gegangen ist. Er suchte mich, konnte mich aber natürlich nicht finden, weil ich auf der Toilette war. Und seitdem ist es mir auch extrem wichtig, dass auf diesen Touren immer Freunde dabei sind, auf die ich mich verlassen kann. Die nicht einfach von der Party weggehen und mich zurück lassen. Das hat für mich höchsten Stellenwert beim Konsum. Alleine konsumiere ich nicht!

Hat dich dieses Erlebnis damals nicht beunruhigt?
Das war erschreckend. Letztendlich war dieses Black-out-Erlebnis aber eine Lehre für mich, weil es bei mir eine totale Veränderung des Konsums bewirkt hat. Von dieser Black-out-Gefahr reden ja auch viele bei GHB. Das selbst erlebt zu haben, hat dazu geführt, dass ich sehr, sehr vorsichtig beim Nachkonsum geworden bin und die Zeiten für einen eventuellen Nachkonsum ganz klar einhalte. Auch wenn ich zum ersten Mal am Abend etwas nehme und davor zum Beispiel gegessen habe, dann weiß ich heute, dass es länger dauert, bis die Wirkung einsetzt. Darauf muss man auch achten und nicht zu viel und zu schnell nachkonsumieren.

Viele Menschen, die zu viel getrunken haben, hängen am folgenden Tag durch, haben auch eine depressive Stimmung. Wie geht es dir da mit den Drogen, die du genommen hast?
Das kommt auf die Droge an. Bei Speed und GHB hab ich kein depressives Gefühl danach. Aber bei Crystal ist es zum Beispiel extrem stark. Dieser Downeffekt, den du da hast. Ich schlafe nach Crystal nur so zwei Stunden, wach dann auf, meine, ich hätte acht Stunden geschlafen, fühle mich im ersten Moment auch total fit. Aber dann kommt oft eine ganz depressive Stimmung auf und es geht mir einfach nicht gut.

Wenn du da nicht schlafen kannst wegen der Droge, gibt es dann bei dir Momente, wo du denkst: „Das mache ich nicht mehr.“?
Na klar gibt es die. Das  sind auch die Momente, in denen ich für mich die Entscheidung treffe, meinen Gebrauch für die Zukunft entsprechend einzustellen. Ich lasse mich nicht von einer Substanz „beherrschen“, sondern reagiere auf Situationen und lerne daraus. Das macht für mich den Unterschied für einen bewussten und gesteuerten Drogengebrauch.

Seit wann weißt du, dass du positiv bist?
Seit einigen Jahren, aber auf den Tag genau – wie andere – kann ich dir das nicht sagen. Die meisten Positiven können oftmals auch einen ganz bestimmten Zeitpunkt für die Infektion angeben. Ich weiß es einfach nicht. Dafür hatte ich auch zu viele wechselnde Partner und war auf zu vielen Sexpartys. Das Ergebnis kam für mich nicht völlig überraschend.

Wie hat dein Freund auf dein Ergebnis damals reagiert?
Sehr gut, ohne jegliche Schuldzuweisungen. Er hat mich extrem gut aufgefangen. Er wusste auch wesentlich mehr über das ganze Thema als ich. Er war da besser informiert als ich. Und er hatte nie ein Problem mit meiner HIV-Infektion. Probleme in der Partnerschaft wegen HIV kenne ich nicht. Das rechne ich meinem Mann hoch an. Er wusste ja von deinen wechselnden Sexpartnern, den Sexpartys und auch, dass du dort ohne Kondom Sex hast. Ist er das Risiko also ganz bewusst eingegangen, auch in eurer Beziehung auf das Kondom zu verzichten?
Ich glaube wir haben das etwas ausgeblendet. Seit meinem positiven Testergebnis hat sich auch sein Verhalten beim Sex stark verändert. Er achtet jetzt deutlich mehr auf seinen Schutz.

Du gehst ja hauptsächlich auf Sexpartys, auf denen HIVpositive sind. Welche Schutzstrategien hast du bezüglich anderer sexuell übertragbarer Infektionen?
Da gibt es natürlich Risiken, sich mit anderen sexuell-übertragbaren Erregern zu infizieren. Man muss sich aber auch bewusst machen, dass Positive aufgrund ihrer regelmäßigen Arztbesuche oftmals auch bei sexuell übertragbaren Infektionen weitaus besser getestet sind.

Welche anderen Strategien hast du für dich, das Risiko von Infektionen zu minimieren?
Zwei Wochen nach einer Sexparty gehe ich zum STI-Check. Ganz einfach, weil ich an mich den Anspruch habe, dass ich, wenn ich mir was eingefangen habe, nicht noch auf andere Partys gehen möchte und das dann womöglich weiterverbreite. Mich nerven Menschen total, die wissen, dass sie was haben, und nicht die zwei, drei Wochen abwarten können, bis es ausgeheilt ist. Letztendlich kann ich da nicht in jemanden reingucken und sehen, ob der was hat oder nicht. Ich hoffe einfach, dass da viele so verantwortungsvoll sind und sich regelmäßig checken lassen.

Wieso das?
Weil ich ungeschützten Sex hatte. Mir war klar, es könnte passieren, dass ich HIV bekomme. Auch wenn ich das in der jeweiligen Situation gerne verdrängt habe. Wenn ich Drogen genommen habe, habe ich das Kondom hin und wieder weggelassen. Selbst bei Poppers war ich oft so in einem Rausch, dass es mir einfach egal war. Danach hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, das hat aber nie lange angehalten.
Ich führe eine spezielle Form des Lebens: Ich gehe zu Sexpartys, habe gerne mit vielen Leuten in der Gruppe Sex. Ich stehe auch auf härtere Sexpraktiken. Das alles ist aber streng getrennt von meinem Alltag. Ich lebe da eigentlich in zwei Welten. Aber mich erfüllt das so. Und mir war irgendwie klar, dass es mich irgendwann erwischen könnte. Dennoch ging es mir in dem Moment, in dem ich das Ergebnis bekam, nicht gut. Ich war vollkommen geschockt, das war bei mir nicht anders als bei jedem anderen, der sein positives Ergebnis erhält.

Kannst du dich noch an den Moment erinnern, an dem dir gesagt wurde, dass du positiv bist?
Ja, natürlich. Das war schon eine besondere Situation. Ich habe regelmäßig einen HIV-Test bei meiner Hausärztin gemacht. Diesmal sollte ich um 17 Uhr in die Praxis kommen. Und ich wusste, die hat eigentlich nur bis 16 Uhr auf. – Dann war ich dort und war kurz im Wartezimmer. Es kam nicht wie sonst die Sprechstundenhilfe, sondern die Ärztin holte mich persönlich ab. Und zwar mit Tränen in den Augen. Sie hat mir weinend gesagt, dass das Ergebnis positiv ist. Ich musste erstmal die Ärztin beruhigen. Ich hatte mich im Vorfeld bereits viel mehr mit der „Was-ist-wenn“-Frage beschäftigt. Das ging mir da alles durch den Kopf. Und es war trotz des Schocks auch so als ob eine riesige Belastung weggefallen wäre.

Hat dir das Ergebnis nicht erst mal Angst gemacht?
Ich hatte eher die Sorge, dass ich vielleicht meinen Mann infiziert hätte. Und die Woche, in der wir auf seinen Test gewartet haben, war für mich viel schlimmer! Wir hatten in der Beziehung ja Sex ohne Kondom. Wir haben da eigentlich auch nie viel drüber nachgedacht, man kann sagen, dass wir es auch etwas verdrängt haben. Gott sei Dank war er dann negativ und ist es auch bis heute.

Ist Hepatitis C für dich ein Thema?
Na ja, es ist zum Beispiel beim Konsum von Speed ein Thema. Da achte ich drauf, dass ich mit meinem eigenen Röhrchen konsumiere und nicht mit Geldscheinen oder die Röhrchen teile. Einfach weil es da ein Übertragungsrisiko gibt. Und ich finde, das kann man ganz leicht verhindern, indem man sich an der Bar zum Beispiel einen Strohhalm holt. Eine ganz einfache Geschichte. Bei meiner Art Sex auszuleben, habe ich aber natürlich dennoch ein Risiko. Denn ich mag es ja, mit möglichst vielen Typen an einem Abend Sex zu haben und eben auch ohne Kondom. 

Du bist ja HIV-positiv, musst darauf achten, deine Medikamente regelmäßig einzunehmen. Gibt es dabei Probleme, wenn du länger auf Partys bist?
Das wird manchmal zum Problem, weil ich durch die Drogen aus dem Rhythmus bei der Einnahme meiner Medikamente komme. Da passe ich mittlerweile ganz klar auf, dass ich ausreichend Medikamente mitnehme, wenn ich ausgehe. Denn es kommt schon mal vor, dass ich länger auf einer Party bleibe als geplant. Da gehe ich zum Beispiel Freitagabend weg und komme erst am Sonntagmorgen wieder. Da brauch ich dann halt zwei Rationen und nicht nur eine. Früher dachte ich immer, dass ich später ja wieder ins Hotelzimmer komme, und dann nehme ich die Medikamente eben dann. Aber dann kam ich eben doch nicht am selben Abend und hab dann mal einen Tag lang keine Medis genommen. Später saß ich dann da und wusste nicht, ob ich nun eine doppelte Ration nehmen soll oder doch nur eine. Gott sei Dank ist immer alles gut gegangen. Aber das ist so ein Risiko, das muss man eben nicht eingehen, wenn man sich von vornherein einfach seine HIV-Medikamente einpackt.  Und am Besten immer mindestens eine Dosis mehr als geplant.

Viele mischen ihre Drogen, nehmen die unterschiedlichsten Dinge an einem Abend. Wie stehst du zum Thema Mischkonsum?
Es gibt da für mich ein paar sehr klare Regeln, die ich streng beachte. Wenn ich Poppers benutzen möchte auf der Party, dann nehme ich auf keinen Fall eine Potenzpille vorher. Das kann den Kreislauf schneller zum Absturz bringen, als man schauen kann. GHB oder GBL nehme ich nie zusammen mit Alkohol. Beides sind Downer und beide sind psychoaktiv. Die Mischung mehrer psychoaktiver Substanzen ist über den Abend hin nicht mehr kontrollierbar. Grade bei langen Partys nicht ganz einfach. Ich merke mir immer die Zeit, wann ich etwas genommen habe. Die Abstände zwischen den Einnahmen sind mindestens so entscheidend wie die Dosis selbst.

Manchmal konsumiert man eine Droge mehrmals an einem Abend. Gibt es da für dich Regeln, an die du dich hältst?
Ich würde nie im berauschten Zustand aus der GHB-Flasche nachkonsumieren. Ich fülle mir die Dosen, die ich zum Nachkonsum nehme, bereits zu Hause ab. Ich messe das vorher auf den Milliliter genau daheim ab und nehme das dann in einem kleinen Behälter fertig portioniert mit. Damit verhindere ich, dass ich im berauschten Zustand zu viel nehme und nachher nicht mehr weiß, wann ich was genommen habe. Das ist sozusagen meine Eigenkontrolle. Meine Regeln: Vorher dosieren, abpacken und die Zeiten zwischen den Einnahmen einhalten. Das funktionierte für mich bisher sehr gut.

Machst du Unterschiede zwischen der Erstdosis und den Folgedosen?
Ja, die Folgedosen sind immer geringer! Die packe ich ebenfalls schon zu Hause ab. Gerade bei GHB ist es so, dass ich einfach einpennen würde, wenn ich beim Nachkonsumieren zu viel nehmen würde. Und natürlich kann aus einer Überdosierung auch ein Notfall werden. Daher dosiere ich alles vor dem Weggehen und mindere so das Risiko. Mein Konsum soll mir Spaß machen und keine Sorgen.

Wie kontrollierst du die Qualität von Drogen?
Das ist wirklich ein schwieriges Thema. Die Menschen, von denen ich Drogen bezogen habe, die kannte ich alle. Ich würde nie Drogen von jemandem kaufen, den ich nicht kenne, weil ich nicht weiß, was da drinnen ist. Gestreckt ist das meiste Zeug sowieso. Bei Speed auf jeden Fall. Da ist dann z.B. oft Backpulver drin. Und dann kann es sein, dass es nicht oder deutlich schlechter wirkt. Aber bei GHB oder einer Substanz, die sich Leute spritzen, wäre mir das alles völlig zu riskant.
Ich habe auch drauf geachtet, ob der Dealer sein eigenes Zeug auch nimmt. Das kann auch ein wichtiger Hinweis sein.

Wie wichtig ist es dir, dass du dich auf den Partys und beim Konsum auf Freunde verlassen kannst?
Ein ungeschriebenes Gesetz ist: Wenn wir zusammen auf eine Party gehen, dann gehen wir auch wieder zusammen von dort weg. Wir lassen keinen alleine zurück, wenn wir wissen, dass derjenige Drogen konsumiert hat oder das möchte. Man kommt zusammen und man geht zusammen. So habe ich auch immer das Gefühl der Sicherheit, dass jemand auf mich aufpasst. Und ich passe ja genauso auf jemanden auf. So kann ich mir sicher sein, dass ich nicht irgendwo rumliege und keiner kümmert sich um mich. Das klappt bei uns allen ganz gut, weil das einfach eine Art Gesetz ist.

Du sagst ja selbst, dass du auch auf extreme Sexpraktiken stehst. Wie versuchst du, auch dabei die Kontrolle zu behalten?
Solche Praktiken mache ich grundsätzlich nur mit Menschen die ich gut kenne und denen ich vollkommen vertraue. Extreme Sexpraktiken sind für mich nicht mit einem Partner machbar, den ich fünf Minuten zuvor an der Bar kennengelernt habe. Ein weiterer Tipp: Da gibt es zum Beispiel Codewörter. Wenn ich die sage, dann gehen ich und mein Sexpartner aus der Situation  raus. Das Codewort muss für alle vorher klar und abgesprochen sein.

Redet man untereinander, was man am Abend so an Drogen genommen hat?
Ja, unter Freunden schon. Das ist auch wichtig, dass man vom anderen weiß, was er genommen hat. Und ob er genügend Zeit zwischen zwei Einnahem lässt, damit es eben nicht zu einer Überdosierung kommt. Außerdem ist das auch im Notfall wichtig, falls etwas passiert und jemand dem Arzt sagen muss, was ich genommen habe. Denn ich kann es in dem Moment ja vielleicht nicht mehr tun.

Das hört sich aber alles reichlich kompliziert an: Alles wird vorbereitet, geplant, dann wird alles mit deinen Begleitern abgesprochen…
Naja, das Wissen, auch das Vorbereiten und die Absprachen geben mir Sicherheit. Sie bieten mir das Netz, in das ich mich dann fallen lassen kann. Das ist sehr wichtig. Dieses Netz zu spannen, ist vielleicht anstrengend. Es bedarf auch viel Vorbereitung. Aber nur so kann ich das Risiko senken und mich fallen lassen. So behalte ich die Kontrolle über meinen Konsum.

Infos: www.iwwit.de

Die wichtigsten Tipps:

  • Sich bei verschiedenen Quellen informieren über Wirkungen und Risiken.
  • Erfahrene Drogengebraucher nach ihren Erfahrungen befragen.
  • Vor der Einnahme von Chems den Einsatz und die Dosierung planen.
  • Substanzen nicht allein konsumieren.
  • Zu Chem-Sexpartys mit Freunden gehen und auch gemeinsam wieder nach Hause.
  • Wer Chems nutzen möchte, aber auch Kondome, sollte „Bareback-Partys“ eher meiden.
  • Chems nur als mögliche Option betrachten und behandeln, damit du sie im Griff behältst und nicht sie dich.
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