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Politik

„Ich habe mich in diesem Moment als Liberale zutiefst geschämt”

Foto: Dietrich Dettmann/FRESH

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) im FRESH-Interview

dd. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Mitglied des FDP-Bundesvorstandes. Von 2008 bis 2014 war sie 1. Bürgermeisterin der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Seit der Bundestagswahl 2017 ist sie Mitglied des 19. Deutschen Bundestages. Dem FRESH-Magazin gab sie ein Interview.

Frau Strack-Zimmermann, nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen haben Sie gesagt, es ist besser, nicht zu regieren als vom Faschisten Björn Höcke gewählt zu werden. Aber eine Zusammenarbeit mit Rot-Rot-Grün wurde in Thüringen im Vorfeld kategorisch abgelehnt. Hätte man hier nicht im Vorfeld anders sondieren müssen?

Der Entschluss von Thomas Kemmerich, im dritte Wahlgang anzutreten, ist parlamentarisch erlaubt und verfassungsmäßig in Ordnung. Er hätte aber diese Wahl nie und nimmer annehmen dürfen. Wie großartig wäre es gewesen, er hätte explizit gesagt, dass er sich von Herrn Höcke nicht ins Amt heben lässt. Das ist die eigentliche Tragik, und das war der Grund, warum ich mich in diesem Moment als Liberale zutiefst geschämt habe.

Verstehen Sie die Verunsicherung in der LGBTI*-Community, dass es Teile der FDP gibt, die politisches Taktieren über die eigenen Grundsätze stellen?

Es war für alle Freien Demokraten ein Schock und die Bestätigung, wie gefährlich und Demokratie zersetzend die AfD ist. Die AfD führt die Demokratie vor und will sie am langen Ende abschaffen. Dass gerade ein Liberaler, den ich bis dato sehr geschätzt habe, darauf reingefallen ist, macht mich sprachlos. Erfurt ist aber nicht Hamburg, nicht München und schon gar nicht Düsseldorf.

Im Bundestag wird zur Zeit über eine Grundgesetzänderung beim Artikel 3 diskutiert, die Worte “sexuelle Orientierung” für einen besseren Schutz von sexuellen Minderheiten zusätzlich einzufügen. Inwieweit unterstützen Sie dies? Wie kann man es schaffen, auch Stimmen von SPD und CDU dazu zu bekommen?

Die Freien Demokraten haben gemeinsam mit der Fraktion der Grünen und der Fraktion der Linken einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt.
Wir bemühen uns natürlich, in bilateralen Gesprächen die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD im Deutschen Bundestag zu überzeugen, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Ich hoffe sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen in Zeiten, in denen Ausgrenzung und Homophobie wieder zunimmt, unserem Gesetzentwurf zustimmen und nicht einem Fraktionszwang ausgesetzt werden.

Sie sind sehr engagiert für die LGBT*-Community, besonders in Düsseldorf. In wieweit unterstützen Sie die Initiative, ein zentrales Denkmal für die Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich zu errichten?

Es ist mir besonders wichtig, junge Menschen zu erreichen und daran zu erinnern, dass auch Homosexuelle von den Nazis verfolgt und ermordet wurden. Ich begrüße daher die Initiative, ein zentrales Denkmal zu errichten als Zeichen des Erinnerns und der Mahnung, auf der Hut zu sein.

Sie engagieren sich seit Jahren für die Aidshilfe Düsseldorf. Aus Ihrer Fraktion wurde die Frage aufgeworfen, wie viel die PrEP- Medikamente kosten. Warum? Gibt es für Sie Bedingungen, Risikogruppen die antiretrovirale Medikation zu ermöglichen?

Unsere Anfrage aus dem Jahr 2018 diesbezüglich diente festzustellen, welche Anzahl von Personen durch PrEP vor einer Neuinfektion geschützt werden – und welche Kosten dadurch eingespart werden können. Die Anfrage sollte Auslöser sein, PrEP endlich von den Krankenkassen bezahlen zu lassen. Das ist seit dem 1. September 2019 der Fall. Eine gute Nachricht!

Wie beurteilen Sie das Berliner Modell, homophobe und transphobe Straftaten gezielt durch den Staatsschutz ermitteln zu lassen und diese explizit zu erfassen? Halten Sie dies nicht auch für sinnvoll in ganz Deutschland?

Der Anstieg homo- und transphober Gewalttaten ist sehr beunruhigend. Die Sicherheitskräfte müssen sehr viel stärker sensibilisiert – und Straftaten konsequenter aufgeklärt werden. Es ist daher gut, dass das Land Berlin homo- und transphobe Straftaten separat erfasst. Das fordern wir übrigens bundesweit als Teil eines nationalen Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie.

Wie beurteilen sie den Umgang mit Trans*Menschen in der Bundeswehr unter Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer? Was kann man noch mehr für die Betroffenen tun?

Als verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag habe ich täglich mit der Bundeswehr zu tun. Soldatinnen und Soldaten halten mit mir Kontakt, und selbstverständlich sprechen wir auch über Probleme der Ausgrenzung innerhalb der Truppe aufgrund sexueller Orientierung. Meine Fraktion und ich nehmen das sehr sehr ernst. Von großer Bedeutung ist, dass Ausgrenzung den Vorgesetzten gemeldet und entsprechend geahndet wird, und die Truppe entsprechend sensibilisiert wird. Die Bundeswehr fußt auf unserer Verfassung und darf so etwas nicht dulden. Frau Kramp-Karrenbauer hat sich leider, bevor sie Verteidigungsministerin wurde, in einer Büttenrede respektlos gegenüber Trans*Menschen geäußert. Sie ist nun umso mehr aufgefordert, dieses Problem ernst zu nehmen, hinzuschauen und zu thematisieren.

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