(Anm. d. Redaktion: Dieses Interview mit Sascha Roncevic, der am 31.12.2024 verstarb, veröffentlichten wir in der Dezember-Ausgabe.)
FRESH-Interview mit Sascha Roncevic (SPDqueer), der Mitte November zum neuen Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer in Nordrhein-Westfalen gewählt wurde.
dd. Sascha Roncevic engagiert sich seit über 25 Jahren in der queeren Community. In seiner Heimatstadt Duisburg mischt er unter anderem beim CSD und dem Queer.Life.Duisburg-Festival mit. Seit 2004 ist er zudem Mitglied in der SPD. Am 16. November wurde er zum neuen Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer gewählt.
Zehn Jahre hat Fabian Spies die SPDqueer in NRW geführt. Nun hat es einen Wechsel an der Spitze gegeben. Wie kam es zu diesem Wechsel und wie bewertest Du die Bilanz Deines Amtsvorgängers?
Fabian hat in den zurückliegenden Jahren als Landesvorsitzendender unserer AG einen sehr guten Job gemacht und vieles erreicht. Als er vor zehn Jahren dieses Amt übernommen hat, hießen wir noch Schwusos. Mittlerweile haben wir einen viel inklusiveren Namen. Ebenfalls muss man auch die mehr als 40 CSD-Veranstaltungen erwähnen, die dieses Jahr in unserem Bundesland stattfanden. Unser Anspruch war hier, nach Möglichkeit auf jedem CSD präsent zu sein. All dies machen wir ehrenamtlich. Fabian hat für sich entschieden, dass er nach zehn erfolgreichen Jahren anderen Dingen mehr Aufmerksamkeit widmen will. Ich möchte mich auch an dieser Stelle noch mal für Fabians Arbeit bedanken.
Werden die CSDs auch unter Deinem Vorsitz weiter flächendekkend von der SPDqueer besucht? Welche weiteren Ziele hast Du Dir für dieses Amt vorgenommen?
Im Vorstand der SPDqueer bin ich kein Neuling. In den zurückliegenden zehn Jahren gehörte ich ihm als stellvertretender Vorsitzender an. In dieser Funktion habe ich die CSD-Auftritte für die SPD koordiniert. Dabei gilt und galt: Jeder CSD ist wichtig. Und es kann nicht „zu viele“ von ihnen geben, wie einige kritisieren. Queere Menschen leben nicht nur in Köln und den anderen großen Städten, sondern in ganz NRW. Deswegen ist es auch wichtig, sich im ganzen Land für Sichtbarkeit und queere Anliegen einzusetzen. In den kommenden Jahren muss sich Politik über die CSDs hinaus gerade für diese beiden Ziele auf kommunaler Ebene einsetzen. Von entsprechenden Medien in den Bibliotheken bis zur Sensibilisierung von Mitarbeitenden – als Volkspartei sollte die SPD hierauf hinwirken. Dieses kommunale Engagement kann jedoch nur mit einer guten Landespolitik funktionieren, da hier auch entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.
Finanzen sind das nächste Stichwort. Wie beurteilst Du die aktuellen Sparpläne der Landesregierung?
Zunächst muss man festhalten, dass der von Schwarz-Grün eingebrachte Haushalt kein Sparhaushalt ist. Er wächst von 102 auf 105,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird im queeren Bereich massiv gekürzt. Nicht nur das Streichen der Fachstelle „Mehr als Queer“ tut weh. Auch die Aids-Hilfen sollen 35% weniger Mittel erhalten. Dabei legt die Landesregierung die Axt nicht nur an die queere, sondern an die gesamte soziale Infrastruktur in unserem Land. Damit gefährdet sie den Zusammenhalt in der Gesellschaft und lässt Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen Benachteiligungen ausgesetzt sind, im Regen stehen. Besonders enttäuscht bin ich, dass die Kolleg:innen der Grünen diesen sozialen Kahlschlag mit tragen. Mit sozialer Kälte lässt sich weder die Erderwärmung stoppen noch eine vielfältige und akzeptierende Gesellschaft fördern
Die Ampel-Regierung im Bund ist zerbrochen. Im Februar sollen Neuwahlen stattfinden. Was bedeutet das für queere Politik? Und welche Chancen siehst Du hier für Deine Partei?
Aus queer-politischer Sicht ist das Ampel-Aus sicher zu bedauern. Denn auch hier war die Bundesregierung besser als ihr Ruf: Abschaffung der Diskriminierung bei der Blutspende, das Selbstbestimmungsgesetz oder die verstärkte Bekämpfung von queerfeindlicher Hasskriminalität sind nur einige der Erfolge. Auch eine Reform des Abstammungsrechts war schon beschlussreif. Bei der vorgezogenen Neuwahl geht es zugespitzt darum, ob wir eine progressive Kraft für soziale Politik oder Herrn Merz mit einem Weltbild der 1990er im Kanzleramt sehen wollen. Ich bin mir sicher, nicht nur queere Menschen wünschen sich mehrheitlich das erste.
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