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Neue Impulse beim LSVD Nordrhein-Westfalen

„Angst essen Seele auf”

Neue Impulse beim LSVD Nordrhein-Westfalen

mt. Der LSVD+ NRW e.V. ist ein Bürgerrechtsverein mit dem Ziel rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichstellung von Lesben, Schwulen, bisexuellen und pansexuellen Menschen, sowie von Menschen, die sich als trans* (transgender, transsexuell, transident), inter* (intersexuell, interident, intergeschlechtlich) und mehr (LSBTIQ) bezeichnen. Somit engagiert er sich für Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt. Diese Arbeit wird ehrenamtlich und ohne Förderung aus öffentlichen Mitteln geleistet. Auf der Mitgliederversammlung am 21.12.24 hat der Verband seinen Namen geändert. Beim CSD in Köln sprachen wir mit den Vorstandsmitgliedern Frank Bauer und Arnulf Sensenbrenner. Beide sind ehrenamtlich dort seit 2003 aktiv im Vorstand.

Ihr habt Euren Verband umbenannt. Was war der Anlass?

Arnulf: Wir haben unseren Verband nicht unbenannt, sondern den Namen erweitert. LSVD, das ist unsere Marke und die gibt man nicht auf. Es ist ja unserer Geschichte, denn das L und das S, also die Lesben und die Schwulen, haben diesen Verband gegründet, getragen und groß gemacht. Und im LSVD+, Verband Queere Vielfalt, wie wir ja jetzt heißen, steht das Plus für alles, was über L und S hinausgeht, für die ganze queere Community. Es dokumentiert nun auch nach außen, dass wir ja schon viele Jahre Arbeit für alle in der Queer-Community machen.

Wie wichtig ist Euch denn das L und das S noch in der Bezeichnung?

Frank: Sehr wichtig! Wir haben auch deswegen den Namen beibehalten, weil wir es weiterhin für sehr wichtig halten, Lesben und Schwule sichtbar zu nennen. Es soll nicht der Eindruck erweckt werden, sie würden marginalisiert, weil jetzt alles nur noch queer ist. Die eigene Identität ist oft schwul oder lesbisch. So wird man von anderen wahrgenommen. Menschen werden als schwul oder lesbisch beschimpft und nicht als queer. Also müssen wir auch deutlich Position beziehen. Wir benutzen Queer auch als Oberbegriff für unsere ganze Vielfalt. In den meisten Fällen gibt es eine sehr ähnliche bis gleiche Diskriminierungserfahrung.

Unsere Bundestagspräsidentin hat untersagt, dass am Reichstag die Regenbogenflagge gehisst wird, und der Bundeskanzler sagte, wir wären ja nicht im Zirkus. Was glaubst Du, was dahinter steckt? Ist das einfach nur so ein Spruch?

Frank: Nein, beides ist kein Spruch. Frau Klöckner, als auch Herr Merz, ist nicht gerade als Unterstützer der Queer Community bekannt. Der Grund, warum sie das macht, ist unserer Meinung nach natürlich nicht, weil sie so furchtbar sachlich sein will, sondern dass ihr das schlichtweg zu weit geht. Noch schlimmer ist, dass sie den Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung verbietet, als Bundestagsverwaltung beim CSD mitzugehen. Im Bayerischen Landtag ist das kein Problem! Ihr geht es nicht um Neutralität, sondern um Unsichtbarkeit. Bei Merz zeigt das, was er davon hält: nämlich nichts. Ich sehe das eher so, das sind aus meiner Sicht kalkulierte Ausreißer, um die rechte Zielgruppe an sich zu binden. Also diejenigen, die dieses ganze „Vielfaltgedöns“ nicht sehen wollen. Die hätten wahrscheinlich am liebsten, dass die queeren Menschen sich wieder in dunklen Ecken treffen und nicht mehr sichtbar sind. Es ist ein Ausdruck der Geringschätzung für diejenigen, die für queere Rechte einstehen.

Was erwartest oder was erhoffst Du von dieser Koalition, die ja jetzt keine große mehr ist?

Arnulf: Von der aktuellen Regierungskoalition erwarten wir nicht viel. Vielleicht wird das Abstammungsrecht, also der Teil der nach acht Jahren immer noch fehlt, endlich ergänzt. Die neue Justizministerin Hubig ist ja eine SPD-Frau.
Bei Artikel 3, Abs. 3 GG gibt es ja die Bundesratsinitiative aus Berlin. Abzuwarten ist, ob es dort eine Mehrheit dafür gibt.
Wenn das durchkommt, muss sich der Bundestag anschließend damit beschäftigen, und dann gibt es wenigstens eine Debatte. Diese ist auch bitter nötig, und es gibt ja auch CDU-Mitglieder, die das durchaus auch positiv sehen, Wie viele das sind, wird sich zeigen.

Wie schätzt Du aktuell den gesellschaftlichen Klimaumschwung ein?

Frank: Ich würde es noch Klimaveränderungen nennen, Umschwung ist mir doch noch ein bisschen viel. Also Klimaveränderung, die gibt es ja eindeutig. Frau Klöckner, Herr Merz s.o. Wir haben es ja hier in Köln-Kalk gesehen mit einer katholischen Schuleröffnung, wo die Kirche als Schulbetreiber keine Regenbogensymbole haben wollte. Das hätte man sich vielleicht vor einem halben Jahr noch nicht getraut. Hier war Klöckner Vorbild für eine Gegenbewegung. Dazu kommt ein Bundeskanzler, der die Regenbogenfahne als Zeichen eines Zirkus sieht. Das gibt rechten Kräften Mut. Aktuell geht es uns nicht schlecht, aber wir müssen aufpassen, das Erreichte erhalten und trotzdem weiter für die Vielfalt einstehen. Wir müssen mehr miteinander, aber auch mit den anderen reden. Wir müssen klar machen, wenn jemand irgendeinen Spruch macht oder irgendeine Aktion macht, die eindeutig gegen uns gerichtet ist, dass wir nicht still sind. Wir müssen dort hingehen wo es weh tut und fragen: Was willst Du oder was willst Du nicht? Was meinst Du? Sprich mit mir, erkläre Dich! Der Mehrheit muss klargemacht werden, dass solche Sprüche und Aktionen Angst machen und auch die Demokratie für alle gefährden. Gemeinsam sind wir stark. Angst ist gut, wenn es brennt, dann läuft man weg. Sonst lähmt zu viel Angst, denn: „ Angst essen Seele auf“

Infos: https://nrw.lsvd.de/

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