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Michael Kauch (FDP): „Polizei besser für queer- feindliche Motive von Gewalttaten sensibilisieren”

dd. Michael Kauch (FDP) ist seit 2013 Vorsitzender der Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL). Von 1995 bis 1999 war er Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, von 2003 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist ständiger Gast im Bundesvorstand der FDP. FRESH sprach mit ihm über aktuelle queerpolitische Fragen.

Michael, Du bist jetzt zehn Jahre Bundesvorsitzender von LiSL, den Liberalen Schwulen, Lesben, Bi, Trans und Queer, also der Vorfeldorganisation der FDP. Wenn Du mal Bilanz ziehst, wo habt Ihr erfolgreich für mehr queere Rechte gekämpft, wo Gesetze und Förderungen mit angestoßen? Auf was bist Du besonders stolz?

Der queerpolitische Aufbruch der jetzigen Bundesregierung ist auch ein Ergebnis unserer jahrelangen Arbeit innerhalb der FDP. Von der Ehe für alle über das Selbstbestimmungsgesetz und die verschärfte Strafbarkeit von Hasskriminalität bis hin zu Regenbogenfamilien und Leihmutterschaft – wir haben die queerpolitischen Positionen der FDP geprägt. Und ich bin stolz, dass ich persönlich in den Koalitionsverhandlungen meinen Beitrag leisten konnte, das meiste davon umzusetzen.

Du warst Gast beim Polittalk im Juli beim ColognePride und hast das Thema Entwicklungshilfe angesprochen und gefordert, endlich Staaten, die Homosexuelle unterdrücken, die Enwicklungshilfe zu entziehen. Das hat auch schon Frau Leutheusser-Schnarrenberger vor Jahren in der FRESH gefordert, und es ist nichts passiert, woran liegt das? Wo muss der Hebel wirklich angesetzt werden?

In Uganda sind Strafen gegen Homosexuelle massiv verschärft worden – bis hin zur Todesstrafe. Hier darf man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. In den letzten vier Jahren hat Deutschland etwa 120 Millionen Euro an Steuergeldern für Uganda zugesagt. Wenn es jetzt keine klaren Sanktionen gibt, ist das eine Einladung an Homohasser u.a. in Ghana und Kenia, ihre Gesetzespläne ebenfalls umzusetzen. Wir müssen einen Flächenbrand in Afrika verhindern. Und als schwuler Mann finde ich es unerträglich, dass wir mit unseren hart erarbeiteten Steuergeldern Länder finanzieren, die die dortige Community mit Billigung ihrer Bevölkerung unterdrücken.

Der einzige Entwicklungsminister, der bisher wegen homofeindlicher Gesetze Sanktionen verhängt hat, war 2009 bis 2013 Dirk Niebel von der FDP. Er hat Uganda und Malawi die Budgethilfe gestrichen. Im Fall Malawis wurden daraufhin Strafverschärfungen zurückgenommen. Danach begann mit einem CSU-Minister wieder die Leisetreterei. Die Ampel darf das nicht nahtlos fortsetzen.

Der Mord an Malte C. beim CSD in Münster war furchtbar. Gewalt und Hass gegen LGBT wird immer mehr, schmerzhaft und noch deutlicher geworden durch den Tod von Malte. Wie kann man dem wirksam entgegentreten?

Die Ampel-Koalition setzt an zwei Stellen an: Stärkung von Akzeptanz in der Gesellschaft und mehr Härte gegen Täterinnen und Täter.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat gerade höhere Strafen für homo- und transfeindliche Hassgewalt im Bundestag durchgesetzt. Ein ganz wichtiges Signal! Im nächsten Schritt müssen Polizistinnen und Polizisten besser für queerfeindliche Motive von Gewalttaten sensibilisiert werden. Auch die Polizeistatistik muss Hasskriminalität besser erfassen.

Im Aktionsplan „Queer leben“ müssen bei der Stärkung von Akzeptanz nun konkrete Maßnahmen für die richtigen Überschriften folgen. Doch die Bundesregierung kann hier nur unterstützen. Wir müssen mehr in die Jugendarbeit und die Schulaufklärung investieren. Da sind die Bundesländer gefordert. Denn die sind eigentlich zuständig.

Warum braucht das Selbstbestimmungsgesetz (vorher Transsexuellengesetz) so lange, um endlich beschlossen zu werden und in Kraft zu treten? Ist da eher die FDP, Die Grünen oder die SPD der Verzögerer? Oder wo liegen die Gründe?

Der vorgelegte Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz ist ein Durchbruch für Transrechte. Keine psychologischen Gutachten mehr, das eigene Entscheidungsrecht als Maßstab und ein einfaches Verfahren bei den Bürgerämtern für den geänderten Geschlechts-
eintrag. All das wurde seit etwa 15 Jahren von CDU und CSU in der Bundesregierung blockiert. Ich finde Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann haben da einen guten Job gemacht.

Und ich sage auch deutlich: Es ist richtig, dass die Bundesregierung sich Gedanken um alle möglichen Sonderfälle macht. Denn das zeigt der Bevölkerung: Es wurde an alles gedacht. Dass aus Teilen der Community nun Kritik z.B. an den Regelungen zum Verteidigungsfall kommt, halte ich für nicht richtig. Solange man nur Männern den Einsatz im Krieg zumuten will, muss man verhindern, dass Cis-Männer das Gesetz missbrauchen, um sich dem Wehrdienst zu entziehen. Wer die Augen davor verschließt, gibt den transfeindlichen Kritikerinnen und Kritikern geradezu die Vorlage, das Gesetz öffentlich zu diffamieren.

Kein Verständnis habe ich dafür, dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) das Gesetz nun auf die letzte Minute blockiert. Ihre Argumente, dass die Fahndung nach Straftätern erschwert werde, überzeugen nicht. Wenn der deutsche Staat nicht in der Lage ist, Menschen auf der Fahndungsliste im Bürgeramt zu erkennen, stellen sich ganz andere Fragen als der Wechsel des Geschlechtseintrags.

Wie geht es denn mit den Rechten von Regenbogenfamilien weiter?

Die große Reform des Abstammungs- und Familienrechts soll Ende dieses Jahres vorgelegt werden. Elternschaftsvereinbarungen schon vor der Empfängnis, automatische Mutterschaft der Co-Mutter, wo nichts anderes vereinbart ist, kleines Sorgerecht für die sozialen Eltern – all das gibt Regenbogenfamilien mehr rechtliche Sicherheit.

Als schwuler Vater freue ich mich besonders, dass die FDP anders als die Grünen die Regenbogenfamilien nicht allein aus weiblicher Sicht sieht. Die FDP wird bei der anstehenden Reform dafür sorgen, dass die Rechte schwuler und bisexueller Väter nicht unter die Räder kommen.

Schade finde ich es, dass die Koalition sich bisher nicht auf die Zulassung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft einigen konnte – und auch, dass SPD und Grüne die Zulassung rechtlicher Mehrelternfamilien nicht unterstützen. Diese Themen müssen wir dann in der nächsten Wahlperiode angehen.

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