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Kutschaty (SPD): Geld vom Land für die NRW-CSDs

dd. Thomas Kutschaty (*1968) ist seit 2005 Mitglied des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Von 2010 bis 2017 war er Justizminister in NRW, tritt zur Landtagswahl am 15. Mai als Spitzenkandidat der SPD an und möchte Ministerpräsident in NRW werden. Er sagt den CSDs im Land finanzielle Hilfe zu: „Ich möchte nicht mehr, dass die finanzielle Durchführung eines CSDs davon abhängt, wie viele Biermarken man verkauft bekommt”. FRESH sprach mit ihm über weitere aktuelle queere Themen im Interview.

Herr Kutschaty, wie beurteilen Sie als Spitzenkandidat für die NRW-Wahl im Mai die queer-politische Arbeit und die bisherige Kooperation mit den queeren Landesverbänden in der letzten schwarz-gelben Legislaturperiode? Wo wollen Sie weitere Akzente in der Queer-Politik setzen?

Die Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung lässt sich bestenfalls als durchwachsen beschreiben. Insgesamt wirkt die Regierung auch bei queerpolitischen Fragestellungen sehr gespalten. Die FDP scheint bereit, in diesen Fragen gesellschaftspolitischen Fortschritt gehen zu wollen, wird aber von der CDU abgebremst. Das Ergebnis ist weitgehender Stillstand: Zwar hat die Landesregierung bei den Projekten der rot-grünen Vorgängerregierung nicht den Rotstift angesetzt, aber auch kaum eigene Akzente gesetzt. Es reicht nicht aus, Projekte einfach weiterzuführen und sie in einem schicken Heftchen neu zu präsentieren. Ich bin mir sicher, dass mehr möglich ist und wir Queer-Politik als Querschnittaufgabe sehen müssen: Angefangen bei der Förderung und Sichtbarmachung queerer Kultur bis hin zu einem verpflichtenden Diversity-Management, von einer aktiven Antidiskriminierungsarbeit durch Aufklärung und Bildung bis zur Jugend- und Senior*innen-Arbeit. Gute Queer-Politik ist vielfältig und fördert Vielfalt. Diese Vielfalt ist und war immer eine Bereicherung und Stärke für NRW.

Wie stehen Sie zu den Forderungen nach Einrichtung einer Landes-Antidiskriminierungsstelle, um weitere queere Angebote sowohl im ländlichen als auch im urbanen Raum zu schaffen bzw. festzulegen?

Eine Antidiskirminierungsstelle ist zweifelsfrei eine Bereicherung, wenn sie kein zahnloser Tiger ist. Genau deshalb ist es auch wichtig, dass sie für alle Menschen zugänglich ist, sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum. Denn Stadt und Land dürfen keinen Widerspruch darstellen, wenn es darum geht, gute Lebensverhältnisse zu schaffen. Dies gilt natürlich auch für queeres Leben, das nicht nur in den Metropolen stattfindet. Auch im ländlichen Raum braucht es gute queere Beratungs-, aber auch Freizeitangebote. Hier müssen wir bestehende Projekte sichern und weiter ausbauen. Das gilt auch für digitale Angebote, die eine gute Ergänzung sein können.

Rechtspopulismus ist auf dem Vormarsch. Wie stellt sich die SPD in NRW gegen die AfD? Wird es unter einer Regierungsbeteiligung der SPD verstärkt Programme gegen Rechtspopulismus geben, um Hassdelikte zu verhindern?

Ich möchte diese Frage ganz klar und unmissverständlich beantworten: Ja! Wir treten jeden Tag gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für unsere Demokratie ein. Zentrale Instrumente zur Stärkung der Demokratie sind für uns Aufklärung und Bildung. Sie müssen in der Kita beginnen, in allen Schulformen fortgesetzt und fester Bestandteil von Weiterbildung sein. Unter der rot-grünen Landesregierung haben wir 2016 das „integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“ auf den Weg gebracht. Daran werden wir anknüpfen, die Evaluierung auswerten und das Konzept an den Stellen erweitern, an denen es notwendig ist.
Die größte Gefahr für unsere Demokratie geht klar vom Rechtsextremismus aus. Deshalb ist es gut, dass der Kampf gegen rechte Strukturen unter Innenministerin Nancy Faeser endlich die Entschlossenheit hat, den er braucht. Ich bin auf jeden Fall froh, dass im Innenministerium wieder eine Sozialdemokratin an der Spitze sitzt.

Sie kennen die CSDs in NRW und waren ja auch schon mal in Ihrer Heimatstadt als Gast beim RUHR CSD ESSEN. Sie kennen also die Events und ihre Strukturen, die in der Regel von Ehrenamtlichen in gemeinnützigen Vereinen vor Ort gestemmt werden. Im Wahlkampf versprechen Sie, dass die CSD-Straßenfeste erstmalig finanziell unterstützt werden sollen. Wie soll das konkret aussehen?

CSD-Kultur- und Straßenfeste sind Teil des politischen Kampfes für Akzeptanz und Gleichstellung und deswegen nehme ich gerne an ihnen teil – übrigens nicht nur in meiner Heimatstadt Essen. Aber gerade vom RUHR CSD weiß ich, wie viel ehrenamtliche Arbeit in Vorbereitung und Durchführung stecken. Ich will, dass queeres Leben möglichst überall in NRW sichtbar ist, und genau deshalb will ich dafür sorgen, dass wir mit einer strukturellen und finanziellen Sockelförderung Abhilfe schaffen. Ich möchte nicht mehr, dass die finanzielle Durchführung im Folgejahr davon abhängt, wie viele Biermarken man beim CSD verkauft bekommt. Das will ich als Ministerpräsident ändern und die CSD-Kultur finanziell absichern.

Homosexuell, geschieden, nicht getauft – es gibt vieles, was der Kirche als einer der größten Arbeitgeber in NRW nicht passt. Ist das noch zeitgemäß? Gehört für Sie das kirchliche Arbeitsrecht abgeschafft? Bei unserem Interview mit Hannelore Kraft vor ihrer ersten NRW-Landtagswahl war das Thema Kirche und Reformen noch tabu. Wie gehen Sie heute mit dem Thema um?

Beschäftigte in kirchlichen Betrieben und in kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen dürfen meiner Meinung nach nicht weniger Rechte haben als alle anderen. Hier besteht Reformbedarf. Es ist gut, dass die Ampel-Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart hat, darüber mit den Kirchen in einen Dialog einzutreten. Egal, ob Erzieher oder Ärztin im Krankenhaus, meine Antwort ist ganz klar: Geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung dürfen kein Kündigungsgrund sein.

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